Die neue Triebfahrzeugführerscheinverordnung

Still und leise ist am 7. Mai 2011 eine neue Verordnung in Kraft getreten, die die Fahrberechtigung der Triebfahrzeugführer auf eine neue rechtliche Grundlage stellt. Mit der Triebfahrzeugführerscheinverordnung (was für ein unhandliches Wort – kurz TfV) wird die EU-Triebfahrzeugführerzertifizierungsrichtlinie 2007/59/EG in Deutsches Recht umgesetzt. Nach Ablauf der Übergangsfristen wird die bisherige VDV-Richtlinie 753, die bis jetzt die Tf-Ausbildung regelte, für die allermeisten Fälle mega-out sein. In bestimmten Nischen wird VDV 753 aber weiterhin gebraucht. Lokführer, die sich ausschließlich in Werkstattbereichen bewegen, sind zum Beispiel ausgenommen. Für diese galt auch schon VDV 753 nicht. Dennoch war es in vielen Betrieben üblich, die Ausbildung der Werkstatt-Lokführer trotzdem nach der VDV-Schrift durchzuführen. Das wird unter TfV nicht anders sein – man kann, muss aber nicht. Auch für die Lokführer auf ausschließlich nichtöffentlicher Infrastruktur („BOA-Triebfahrzeugführer“) ist die TfV nicht von Interesse. Deren Ausbildung richtete sich schon immer mehr an örtlichen Verhältnissen als irgendwelchen Rahmenlehrplänen aus. Eine ziemlich große Nische könnten die „Regionalbahnen“ nach § 2 Abs. 9 AEG werden. Die TfV gilt nämlich nur für EVU, die eine Sicherheitsbescheinigung brauchen – Regionalbahnen gehören nicht dazu.

Für die große Masse der Lokführer ändert sich durch die Umstellung von VDV 753 zum TfV-Schein in Sachen Führerschein alles ein bisschen, aber bei näherem Hinsehen gar nicht mal so sehr. Mit der TfV verbinden sich verschiedene Hoffnungen, zum Beispiel auf bessere Möglichkeiten zum Ausbremsen der schwarzen Schafe in Ausbildung und Betrieb. So hat sich gezeigt, dass die AZWV-Zertifizierung eines Bildungsträgers noch lange nicht heißt, dass dort auch tatsächlich Unterricht in gebotener Qualität stattfindet. Die Firma easy2learn hat sich da mit Ausbildung am MS Trainsimulator und Tischkicker statt Theorie unsterblich gemacht. Die TfV dehnt die Überwachungskompetenz des Eisenbahn-Bundesamts auf die gesamte Kette der Ausbildung von Lokführern aus. Das geht los bei Bahnärzten und Verkehrspsychologen, über die besagten Ausbildungsstätten, und natürlich bis hin zu den Eisenbahnunternehmen.

Schaut man in Anlage 1 der TfV, so stellt man fest, dass die allseits bekannte Erika Mustermann sich auf ihre alten Tage nochmals beruflich neu orientiert hat. Sie ist jetzt Triebfahrzeugführerin. Der neue Schein des Führers ist ein behördliches Dokument und wird vom EBA ausgefertigt, nicht mehr vom Betriebsleiter im stillen Kämmerchen. Es bleibt bei der bewährten Aufteilung in Führerschein und Beiblatt (welches jetzt Zusatzbescheinigung heißt). Auch neu ist: Über die Daten der ausgegebenen Führerscheine wird beim EBA ein zentrales Register geführt. Über Inhalte von Zusatzbescheinigungen bekommt das EBA nur auf Verlangen Kenntnis, oder wenn die Daten auf Grund der Liquidation eines Eisenbahnunternehmens kraft § 10 Abs. 5 an das EBA übergehen.

Auch die Führerscheinklassen ändern sich. An die Stelle der Klassen 1 (Rangierfahrten), 2 (Streckendienst mit Beschränkungen) und 3 (Streckendienst) treten die Führerscheinklasse A (Rangierfahrten) und B (Zugfahrten im Personen- und Güterverkehr). Klasse B kann beschränkt sein durch Angabe der Unterklasse 1 (nur Personenverkehr) oder 2 (nur Güterverkehr). Damit wird den heutigen Realitäten im Bahnmarkt Rechnung getragen. Die meisten EVU betreiben entweder ausschließlich Güterverkehr oder Personenverkehr. Ihre Leute sind nicht mehr ohne weiteres auf der jeweils anderen Zuggattung einsetzbar. Den einen fehlt beispielsweise die Gefahrgutausbildung, den anderen das Wissen über Türschließsysteme.
Die alte Führerschein-Klasse 2 hat keine direkte Entsprechung im neuen System. Sie wird ersetzt durch detailliertere Angaben im Beiblatt – Verzeihung, Zusatzbescheinigung. Allein zwei Seiten sind dort jetzt für die Beschreibung der befahrbaren Infrastruktur vorgesehen. § 9 Abs. 6 gibt den Hinweis, dass der umfangreiche Platz aber nicht der Auflistung von Streckenkenntnis dienen soll. Stattdessen ist – wie bisher auch – auf Zugbeeinflussungssysteme und Betriebsverfahren abzustellen. Gültige Angaben dürften in etwa aussehen wie „Ein- und zweigleisige Strecken nach Ril 408“, „Zugmeldebetrieb FV-NE“, „LZB CE“, „SZB-E“ oder „Albanische Feldbahn mit Elektrotraktion„. Vom EBA wird es wohl noch eine Ausfüllanleitung für das Ding geben.

Nach Lektüre der Verordnungsbegründung bin ich im Moment überzeugt davon, dass es hirnrissigerweise möglich ist, unter TfV einen Lokführer auszubilden, der nur Zugfahrten, aber keine Rangierfahrten durchführen kann. Dort steht geschrieben: „Nur Klasse B berechtigt nicht zu Rangierfahrten, daher wird als Regelfall betrachtet, dass wer die Klasse B vorweisen kann, auch Klasse A eingetragen hat“. Regelfall, aha. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wenn es tatsächlich möglich sein sollte, zukünftig nicht-rangierfähige Tf auszubilden, dann wird früher oder später irgendein EVU diese Möglichkeit nutzen und sich zum Gespött der Branche machen, wenn die Leute dann doch mal völlig unerwartet rangieren müssen.

Für den Nachwuchs – hauptsächlich aus der EIB-L/T-Ausbildung – ist wichtig, dass man unter TfV schon nach Ende des 20. Lebensjahres als Erwachsen gilt und somit nunmehr ein Jahr früher als bisher keine EBA-Ausnahmegenehmigung braucht. Dies ist der europäischen Vereinheitlichung zu verdanken.

Wie bisher bleibt der Führerschein Eigentum des Lokführers, die Zusatzbescheinigung ist Eigentum des Arbeitgebers. Bei Arbeitgeberwechsel erhält der Tf einen „Nachweis einer Zusatzbescheinigung“ und wie bisher seine Prüfbescheinigungen, auf dass ihm seine Prüfungen von der neuen Firma anerkannt werden.

Neu ist, dass man eine Prüfung nur zum Erhalt eines Führerscheins ohne Beiblatt ablegen kann. Abgeprüft wird dann sozusagen der „Allgemeinkram“ rund ums Thema Bahnbetrieb. Die praktische Relevanz dürfte gering sein, denn es bleibt dabei, dass der nackte Führerschein ohne Zusatzbescheinigung recht nutzlos ist. In der Praxis wird es weiterhin vor allem die „große Lösung“ geben, nämlich eine schriftliche, mündliche und praktische Prüfung, die dann direkt zum Führerschein mit Zusatzbescheinigung führt.

Was RFU und Überwachung angeht, werden die Zügel angezogen. Naja, jedenfalls ein bisschen. Neu ist, dass durchgeführte Begleitfahrten in der Zusatzbescheinigung vermerkt werden und auch an die EBA-Führerscheindatenbank gemeldet werden. Die TfV fordert dies allerdings nur im Turnus von drei Jahren.

Die ersten, die einen Führerschein nach TfV haben müssen, sind die Kollegen Auslandslokführer. Für sie wird er ab 29.10.2011 Pflicht. Um Ausbildungsgänge nach altem Recht noch geordnet zu Ende bringen zu können (die Ausbildungsstätten werden ihre Lehrgänge ja auch in Teilen neu konzipieren müssen), besteht für Azubis bis zum 29.10.13 ein Wahlrecht, ob sie einen TfV- oder 753er Führerschein haben wollen.
Spätestens ab dem 29. Okotober 2018 fahren dann auch die alten Hasen mit dem neuen Führerschein (natürlich nur soweit die TfV auf sie anwendbar ist – bis auf BOA-Tf und Werkstatt-Lrf sollte das i.a. der Fall sein).

PZB-Probleme beim ET 422

ET 422 ab sofort nur noch mit 100 km/h wegen Softwareproblemen in der PZB – das war die überraschende Nachricht am 8. April. Was genau passiert ist, darüber dringen nur bruchstückhafte Informationen aus dem Verkehrsbetrieb S-Bahn Rhein-Ruhr. Die Sache war auch ein Lehrstück dafür, dass dem Buschfunk manchmal nicht zu trauen ist.

Es geht um die Software der PZB-Anlage EBI Cab 500 PZB von Bombardier, mit der alle Triebwagen der Baureihe 422 ausgerüstet sind. Die ersten Wortmeldungen aus der Gerüchteküche deuteten noch darauf hin, dass es die EBICab mit der Wegmessung nicht so genau nehmen würde, was zu Zwangsbremsungen an Stellen führen würde, an denen man sie nach der Richtlinie 483 nicht zu erwarten hatte. Damit hätte die Anlage zwar gewissermaßen zur berühmten sicheren Seite hin agiert, aber wohl die Spezifikation der PZB 90 verletzt. Naja – besser zu viele als zu wenig Zwangsbremsungen, könnte man sagen. Diese Gerüchte wiesen letztlich aber in die falsche Richtung. Der Problemgegenstand lag woanders:

Am 18. April war dann aus dem Munde eines Betriebskontrolleurs der Bahn in der Zeitung zu lesen, dass der tatsächliche Grund für die Geschwindigkeitsbeschränkung zwei Signalüberfahrungen sein sollten, bei denen sowohl die Beeinflussungen als auch die fälligen Zwangsbremsungen ausgeblieben waren. Eurailpress weiß zu berichten, dass die EBI Cab ein ungeplantes Feature hat: Sie kann während der Fahrt unbemerkt ausfallen. Damit hat die auf den Fahrzeugen vorhandene Ebicab-Software ihre Zulassung verloren. Das ist ein ziemlich ernstes Problem, und die Bahn hat bei Bombardier eine dringliche Lösung angefordert. Dass es gerade Bombardier trifft, ist insoweit nicht verwunderlich, als die betroffene EBI Cab 500 eine verhältnismäßig junge Entwicklung ist. Da die Zeiten vorbei sind, in denen man bei Zugbeeinflussungsanlagen maximal die Wahl zwischen Siemens und Standardelektrik Lorenz hatte, könnten uns ähnliche Softwarefehler angesichts einer Flut von Neuanlagen insbesondere im ETCS-Bereich eventuell künftig häufiger beschäftigen.

Was hat DB Regio also jetzt an Maßnahmen ergriffen? Soweit es möglich ist, fahren derzeit 143er mit x-Wagen, soweit sie gefristet und noch nicht verschrottet sind. Für den Teil der ET 422-Flotte, der mangels Ersatzfahrzeugen trotzdem auf die Strecke muss, wurde die Höchstgeschwindigkeit  auf 100 km/h begrenzt. Zwei weitere Maßnahmen dienen dazu, dem EBA zu zeigen, dass man wirklich alles menschenmögliche tut, um die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs zu gewährleisten. Der PZB-Störschalter wird wie man hört nicht eingelegt, so dass die EBI Cab weiter wirken kann wie sie soll. Um die Zeit eines unbemerkten Ausfalls kurz zu halten wurde vorgesehen, die Anlage alle 30 Minuten zu resetten. Per Weisung wurden die Bahnhöfe bekanntgegeben, in denen dies getan werden muss. Zweitens ist ein Beimann an Bord. Dabei handelt es sich um einen Triebfahrzeugbegleiter mit besonderer Ausbildung nach 408.0301 Abschnitt 2 Abs. 2. Er muss also nicht nur den Zug anhalten und Hilfe anfordern können, sondern auch Signale beherrschen. Wie Heizer und Tf auf der Dampflok haben sich die beiden die erkannten Signale gegenseitig zuzurufen. Die noch eingesetzten ET 422 mit doppeltem Personalansatz fahren zu lassen ist natürlich für die Disponenten keine leichte Aufgabe. Unternehmensbereichsübergreifend werden daher Tfz-Begleiter zur S-Bahn Ruhr abgeordnet. Teilweise finden „Schnellbesohlungen“ von Regio-Zugbegleitern und Schenker-Rangierpersonalen statt.

Update 6.5.2011

DB Regio NRW und Bombardier melden inzwischen, dass das Problem eingekreist wurde und an der Lösung gearbeitet wird. Unerfreulicherweise fand man kein reines Software-Problem, sondern auch die Hardware der EBI Cab spielt mit hinein und muss angepasst werden. Die Ursache klingt unglaublich: Durch Erschütterungen im Fahrbetrieb konnte der PZB-Rechner abstürzen, ohne dass dies eine Störmeldung auslöste. Die Anlage ist buchstäblich nicht „bahnfest“. Alles das soll nun geändert werden. Um eine zeitaufwändige EBA-Zulassung kommt man aber wohl nicht herum. Die PZB-Anlagen in der Baureihe 442 („Talent 2“), ein anderer Pannenzug aus dem Hause Bombardier, der eigentlich schon lange Zeit in Süddeutschland verkehren sollte, kann Bombardier gleich mit austauschen, denn sie sind baugleich zu denen in der BR 422.

Update 20.6.2011
Am Ende ging es schneller, als gedacht. Die neue Anlagensoftware wurde ausgerollt, gut 14 Tage im Betrieb getestet, und seit 18.6.11 dürfen die damit ausgerüsteten 422er wieder ohne Beimann fahren.

Update 8.7.2011
Im Nachgang zur S-Bahn-Krise bohren die Medien jetzt an einigen Stellen nach, und leider kommt müffelnder Klärschlamm hoch. So stellt sich nach einem Bericht der Rheinischen Post die Frage nach der Tauglichkeit einiger der eingesetzten Triebfahrzeugbegleiter. In Einzelfällen sollen u.a. pensionierte Mitarbeiter und „Familienangehörige mit Vorkenntnissen“ eingesetzt worden sein. Das klingt schon recht bedenklich. Ich will mich hier gar nicht so sehr auf die unsachlichen und vo wenig Fachkenntnis getrübten Kommentare unserer glorreichen NRW-Landespolitiker kaprizieren. Mein Liebling ist ja Verkehrsstaatssekretär Horst Becker, der sich mit den Worten „Bei einem Lkw würde man auch nicht jemanden, der lediglich einen Mofa-Führerschein besitzt, ans Steuer lassen, wenn der Fahrer seine Lenkzeit überschritten hat“ zitieren ließ und damit durchblicken ließ, dass er von den Tätigkeiten eines Tfz-Begleiters keinen blassen Schimmer hat.

Einen eintägigen Crashkurs für die zukünftigen Signalbeobachter halte ich persönlich für durchaus ausreichend. Die Zeit sollte wirklich dafür reichen, den Leuten die für sie wichtigen Signale zu zeigen und ihnen auch beizubiegen, wann man das für den Zug gültige Signal rechts und wann links findet. Eine Betriebsdienstklausur würden die Leute nach einem Tag natürlich nicht bestehen, aber das müssen sie ja auch nicht. Wir reden hier von Tfz-Begleitern, die in der gegebenen Konstellation nur das dritte Sicherheitsnetz bildeten: Die erste Ebene war wie immer der Lokführer selber, bei dem man davon ausgehen kann, dass er die weitaus allermeisten Signale im wachen Geisteszustand wahrnimmt. Zweite Sicherungsebene blieb die Ebicab PZB, die sich zwar ab und an verabschieden konnte, aber die meiste Zeit über funktionsfähig gewesen sein dürfte. Erst wenn diese beiden Stricke gleichzeitig gerissen wären, hätte die große Stunde des Tfz-Begleiters geschlagen. Dazu wäre es unnötig, ihn in alle Feinheiten des Signalbuchs einzuweihen. Ob er im Dunkeln korrekt ein Lf 1 von einem Vr 0 unterscheiden kann – das ist doch Kür in so einer Situation. Selbst wenn er nur in der Lage wäre zu sagen „da vorne kommt ein Signal“ wäre das wohl schon ausreichend, um zu verhindern, dass der Tf versehentlich etwas übersieht. Deshalb halte ich die Signalbeobachtung auch mit nur eintägiger Schnellbesohlung für eine machbare Aufgabe.

Als problematischer sehe ich allerdings eine andere „kleine Formalität“ an: Auch wenn sie nur im Führerstand rumsitzen und ab und an mal ein Signal ansagen, sind Triebfahrzeugbegleiter Mitarbeiter, die Tätigkeiten im Bahnbetrieb ausüben. Damit unterliegen sie bahnärztlichen Tauglichkeitsanforderungen nach VDV Schrift 714 bzw. im Fall der Deutschen Bahn der Richtlinie 107. Diese Anforderungen sind jetzt nicht ganz  so hoch wie beim Eisenbahnfahrzeugführer selbst (u.a. können Tb’s quasi halb blind und taub sein – Visus 0,5 und 5 Meter Hörvermögen reichen laut VDV 714 aus), aber die Untersuchung muss halt gemacht worden sein, bevor der Tfz-Begleiter den Führerstand besteigt. Auch eine UVV-Belehrung zum Thema „Verhalten im Gleisbereich“ halte ich für zentral, denn man kann wohl nicht davon ausgehen, dass die Dienstschichten der Tfz-Begleiter immer an einem Bahnsteig endeten und begannen. Ob DB Regio diese Kriterien bei allen ominösen Pensionären, Schreibtischtätern und Familienangehörigen eingehalten hat, beantwortet der Zeitungsbericht leider nicht.

Technikgeschichte der LZB L72

Die Serienbauform der deutschen Linienzugbeeinflussung, die L72, wird demnächst 30 Jahre alt. Zu ihrer Entwicklungszeit war sie ein in jeder Hinsicht fortschrittliches System, an der Grenze des damals technisch machbaren gebaut. Die L72 war zwar nicht die erste linienförmige Zugbeeinflussung, aber die erste mit Streckenzentralen in Rechnertechnik, und diejenige, die in Deutschland schließlich von der Bundesbahn auf breiter Front eingeführt wurde.

Ihr technologischer Vorgänger war die Siemens-LZB der Bauform LZB 100. Mit dieser LZB erfolgten 1963 die ersten 200-km/h-Fahrten zwischen Bamberg und Forchheim sowie 1965 die Präsentationsfahrten zwischen München und Augsburg. Aus heutiger Sicht waren es finstere Zeiten. Streckenzentrale und Fahrzeuggerät waren in Transistortechnik mit Ringkernspeichern gebaut.

Wenn man die Geschichte der LZB verstehen will, ist es wichtig zu wissen, wie in Westdeutschland zur Bundesbahnzeit Bahntechnik entwickelt wurde. Da gab es nicht nur die Industrie mit ihren Entwicklungsabteilungen, sondern auch die beiden Bundesbahn-Zentralämter in Minden und München, die über eine gehörige Portion eigene Entwicklungskompetenz verfügten. Im Wechselspiel zwischen BZA und Industrie entstand dann Hochtechnologie. Zusätzlich hatte es Tradition, dass man aus politischen Gründen niemandem in der Industrie wehtat, sondern bei Großprojekten die Konkurrenten gerne zu Konsortien verheiratete, damit jeder etwas vom Kuchen abbekam. Im Bereich der Leit- und Sicherungstechnik waren die zwei großen Spieler schon damals Siemens und Standard Elektrik Lorenz (die spätere Alcatel SEL, heute bei Thales), die jeweils das Vollsortiment vom Stellwerk bis zum Achszähler boten.

Die Streckenzentrale und Streckenausrüstung der zweiten Generation (also L72) würde federführend bei Lorenz entwickelt werden, während man für das neue Fahrzeuggerät (die spätere LZB/I80-Anlage) ein Joint-Venture gründete, dessen Führung eher bei Siemens lag. Hierfür geistert als Firmenname verschiedentlich der Name „SELMIS“ durch die Literatur. Das ist in soweit interessant, als der sichere Rechnerkern des heutigen Lorenz-ESTW L90 ganz zufällig auch den Namen SELMIS trägt. Setzt man dort etwa auf Technik, die in früheren Tagen zusammen mit dem Erzkonkurrenten aus Braunschweig entwickelt wurde? Wäre zumindest Stoff für eine kleine historische Fußnote.

Statt Siemens war auf der Strecke ab 1976 also Lorenz angesagt. Nach einer Tauschaktion konnte mit der LZB-100-Fahrzeuganlage auch auf L72-Strecken gefahren werden. Die neue LZB-80-Anlage wurde erst 1984 fertig. Ihr Kern ist ein sicherer Rechner in 2-von-3-Architektur. In der Urversion handelte es sich um 8-Bit-Hardware. Ab 1991 begann man, diese Fahrzeuganlagen mit zusätzlichen Ortungsrechnern nachzurüsten, da man mit der Genauigkeit der Kreuzungsstellen-Ortung unzufrieden war. An dieser Stelle handelte man sich Ungenauigkeiten von fast 5 Metern ein, weil die LZB-80-Anlage mit einem festen Interrupt-Takt von 70 ms „tickte“. Die neuen Ortungsrechner konnten diese Ungenauigkeit durch eine recht simplen Trick wieder ausgleichen: Ein LZB-Fahrzeug hatte ohnehin meist zwei Empfangsantennensätze, von denen bis dahin aber immer nur einer benutzt wurde. Deren Montageabstand war bekannt. Durch Vergleich der Empfangszeitpunkte konnte über der Kreuzungsstelle die Geschwindigkeit des Triebfahrzeugs ermittelt werden. Zusätzlich konnte  man messen, wie lange das empfangene Telegramm bis zum nächsten Interrupt im Speicher verbleiben musste. Dies erhöhte die Genauigkeit der Wegmessung soweit, dass nur noch die Ungewissheit über den tatsächlichen Raddurchmesser als Fehlerquelle verblieb (diese lag größenordnungsmäßig nur im Zentimeterbereich).

Während auf den älteren LZB-Strecken der LZB-Block mit dem Signalblock deckungsgleich war, hatte man auf den beiden ICE-Neubaustrecken die L72 erstmals mit Teilblock realisiert, so dass LZB-geführte Züge in dichterer Folge fahren konnten, als es die signalgeführte Rückfallebene zuließ. Hierfür war zwingend ein LZB-80-Fahrzeuggerät notwendig. Mit dem Projekt CIR-ELKE ging die nächste Weiterentwicklung einher. Der sogenannte Hochleistungsblock kann bei L72CE sogar kürzer sein als die Zuglänge. Auf der Fahrzeugseite war es zwingend notwendig, alte 8-Bit-Rechner der Bauform LZB 80/8 durch neue 16-Bit LZB 80/16-Anlagen zu ersetzen, damit das Fahrzeug CE-fähig war. Streckenseitig wäre es möglich, eine L72-Strecke ohne Änderungen der Außenanlage auf CE hochzurüsten. Nur der Streckenzentralrechner müsste getauscht werden. Letzter Stand der Technik ist L72CE II. Alle seit 2002 neu in Betrieb genommenen LZB-Strecken entsprechen diesem Standard, die CE I-Pilotstrecke Offenburg-Basel wurde hochgerüstet. CE-fähige Fahrzeuggeräte können auch ohne weiteres auf den allermeisten CE II-Strecken eingesetzt werden. Lediglich auf Köln-Frankfurt und Nürnberg-München ist dies aufgrund besonderer genutzer Funktionen nur mit bestimmter Anlagensoftware möglich.

Durch die lange Zeit seit der Entwicklung wurde die LZB 80 Fahrzeuganlage vom Fortschritt der Rechnertechnik überholt. Auch die flächendeckende Migration von 8 auf 16 Bit-Architektur noch zur Jahrtausendwende konnte nicht verhindern, dass wohl wichtige Bauteile inzwischen von den Herstellern abgekündigt sind. Deshalb haben sich die alten Recken von Siemens und Thales nochmal zusammengesetzt, um eine LZB-80-Anlage auf Basis moderner Technik zu implementieren. Sie trägt den Namen LZB 80E. Gegenüber der Altanlage stellt man fest, dass der neue Rechner nur noch halb soviel Platz im Gestell benötigt. Deshalb wäre Platz, die 80E-Anlage zukünftig um ETCS-Funktionalität zu erweitern.

Stand der Technik sind allerdings nicht auf ETCS hochrüstbare LZB-Anlagen, sondern ETCS-Anlagen mit optionalem LZB Specific Transmission Module. ETCS gilt natürlich als die neue Goldgrube im Zugsicherungsmarkt, und jeder Hersteller der etwas auf sich hält hat inzwischen eine ETCS Level 2 fähige Anlage am Start. So zum Beispiel Bombardier mit der EBICAB 2000, Thales mit der AlTrac 6482, und auch Siemens hat mit der „Trainguard“ eine solche Anlage im Angebot. Man erkennt vielleicht: Die Zeit der Konsortien ist vorbei, bei ETCS kämpft heute jeder für sich, und bei den STM-Modulen für Legacy-Zugsicherungen wie PZB oder LZB möchte man zumindest den Anschein erwecken, dass man das alles selbst auf die Beine gestellt hat. Welche Verflechtungen der Industrie da aber im Hintergrund bestehen, bleibt undurchsichtig.

Was ist eigentlich ein… Sonderplanwagen?

In Modul 408.0311 regelt die Heilige Schrift, wie auf dem DB-Netz eine Wagenliste zu führen ist. Spalte 10 dieser Liste hat die Überschrift „Bemerkungen“ und ist für allerlei Hinweise zu Besonderheiten des Wagenzuges gedacht. Diese sind meist technischer Art, oder es geht um besondere Gefährdungen. Unter Buchstabe „n“ findet sich die Anweisung, bei Sonderplanwagen „Spl“ in Spalte 10 einzutragen. Okay, jetzt gibt es nur noch ein Problem… Als Jungeisenbahner, der in der heutigen Zeit und nicht mehr bei der Bundesbahn ausgebildet wird, darf man berechtigt fragen: Was zur Hölle ist ein Sonderplanwagen?

Die Nennung des Sonderplanwagens in der Fahrdienstvorschrift ist aus heutiger Sicht eigentlich ein Relikt aus besseren Zeiten. Da sind wir tief im Thema Stückgutverkehr – ein Geschäftsfeld, das die Bahn Mitte der 90er Jahre langsam beerdigt hat, weil es hohe Verluste brachte. Was heute in meiner jüngeren Generation kaum noch bekannt ist – ein großer Teil des Kleinkrams, der heute mit Paketdiensten und LKW-Speditionen durchs Land verschickt wird, wurde früher mit der Eisenbahn befördert. Zu meinen Kindheitserinnerungen gehört noch, dass wir Mitte der 90er Jahre Pakete zur Güterabfertigung im Bahnhof Bestwig oder Meschede brachten. Das haben wir noch einige Jahre gemacht, dann hat auch unsere Firma auf reinen Postversand umgestellt. Das war billiger, schneller und weniger Papierkrieg.

In den Güterbahnhöfen im ganzen Land wurden also täglich Güterwagen mit allerlei Krimskrams vollgeladen. Der übliche Weg war dann, die Wagen zu einem Knotenpunktbahnhof zu fahren, wo der Inhalt umgeladen und sortiert wurde. Die Ware wurde dann zum nächsten Knoten gefahren, wieder sortiert und umgeladen, und landete dann irgendwann am Empfangsbahnhof. Dort konnte sie der Empfänger abholen oder von der Bundesbahn bei sich zuhause zustellen lassen. Problem dieses Systems war, dass zu häufig umgeladen werden musste, und durch Rangieren allerorten viel Zeit verloren ging.

Wenn sie wollte, konnte die Bundesbahn allerdings auch etwas schneller. Hier kommt jetzt der Sonderplanwagen ins Spiel. Er hieß übrigens so, weil sich bei der Bahndirektion jemand einen besonderen Plan für den Wagen ausgedacht hatte. Wenn auf einem Abgangsbahnhof genügend Stückgut für einen einzigen Empfangsbahnhof zusammenkam, dass man einen ganzen Wagen vollkriegte, dann wurde gerne ein Sonderplanwagen angesetzt. So sparte man sich schonmal die Umladerei im Knotenbahnhof. Für den Sonderplanwagen wurde im voraus festgelegt, welchen Zügen man ihn mitgab, damit er möglichst schnell am Ziel ankam. Außerdem wurde er in den Rangierbahnhöfen bevorzugt behandelt. Wenn Sonderplanwagen im Zug waren, wartete man nach Ankunft im Rbf oft nicht erst auf die Rangierlok, sondern rangierte die Wagen direkt mit der Zuglok zur Weiterbeförderung. So erklärt sich auch der Eintrag in der Wagenliste. Zugführer und sonstige Leute die es anging, konnten somit sehen, dass ein very important Güterwagen im Zug war, der möglicherweise besonderen Aufwand erforderte und den Dienstschluss verzögerte.

Da die bahnamtliche Stückgutbeförderung längst Vergangenheit ist, dürfte auch die letzte Fahrt eines Sonderplanwagens schon lange her sein. Nur in der Fahrdienstvorschrift existiert er fort – wer wusste schon, ob man’s nochmal irgendwann brauchen kann? Man könnte theoretisch noch Azubis damit foppen – Aufgabe „Erstellen Sie mal die Wagenliste“, und dann ein Fahrzeug als Sonderplanwagen bezetteln.

Einiges deutet darauf hin, dass der Sonderplanwagen noch viele Jahre durch EVU-Regelwerke geistern könnte. DB Netz steht auf dem Standpunkt „Wagenlisten sind ein EVU-interner Prozess. Warum sollen wir da Vorschriften zu machen?“, und die TSI „Verkehrsbetrieb und Verkehrssteuerung“ gibt ihnen da Recht. Ab Dezember 2011 kann und muss jede Firma ihre Wagenlisten nach eigenen Regeln machen (Bremszettel übrigens auch). 408.0311 wird aus der FV gestrichen. Allerdings soll das Modul auf seinem jetzigen Stand als 408.8311 eingefroren werden, und kann von Dritt-EVU für anwendbar erklärt werden. Damit ist die weitere Existenz des Sonderplanwagen-Zombies wohl gesichert. Noch in 100 Jahren werden sich vielleicht Leute auf 408.8311 berufen. Die letzte Rache der Bundesbahn sozusagen.

Sofortiges Anhalten bei Fehlleitung

Die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (kurz EUB) hat einen Bericht zum Unfall in Berlin-Karow am 16.4.09 veröffentlicht. Im Bahnhof Karow war ein Regionalzug auf einen vorausfahrenden Güterzug aufgefahren. Als mitursächlich für den Unfall wurde auch die Nichtbeachtung eines Satzes aus der Fahrdienstvorschrift identifiziert, der sich etwas schamhaft unter „Sonstige Unregelmäßigkeiten im Bahnbetrieb“ versteckt. Es handelt sich um 408.0591 (1):

Wenn Sie als Triebfahrzeugführer erkennen, dass Ihr Zug in einen Fahrweg eingelassen wird, der dem Fahrplan oder dem Auftrag des Zuges nicht entspricht, müssen Sie den Zug sofort anhalten und die Weisung des Fahrdienstleiters einholen.

Der Knackpunkt in Karow war nun, dass der Tf des Güterzuges am ESig Karow zwar die drohende Fehlleitung bemerkte und auch Verbindung zum Fdl aufnahm, aber nicht sofort anhielt. Stattdessen fuhr er erstmal weiter bis in den Bahnhof, da die Fehlleitung nur die Ausfahrweichen betraf.

Wo liegt jetzt hier die Betriebsgefahr? Sie ist nicht unbedingt sofort offensichtlich. So lange der Fdl nichts machte, war der Güterzug auf einer gesicherten Fahrstraße unterwegs. Das Unheil nahm seinen Lauf, als die Fahrstraße unter dem noch fahrenden Gz aufgelöst wurde. Bedingt durch die besondere örtliche Situation in Karow – das Stellwerk hatte keine selbsttätige Gleisfreimeldeanlage, und die Anordnung der Gleisschaltmittel konnte man mindestens „interessant“ nennen – wurde es möglich, eine Durchfahrt durch den Bahnhof einzustellen, obwohl der Gz sich noch in der Ausfahrt befand. Ob dem Fdl der genaue Standort des Gz nicht bewusst war, oder ob er schlicht daneben griff, weiß ich nicht. Jedenfalls war plötzlich von der Einfahrt bis zur Ausfahrt grün. Das wurde verhängnisvoll, weil dem Gz ein durchfahrender Reisezug folgte, der natürlich keinen Grund hatte, dem Fahrtbegriff des Esig Karow nicht zu vertrauen.

Mitursächlich war das Unterlassen des sofortigen Halts bei Fehlleitung deshalb, weil man folgendes was-wäre-gewesen-wenn-Spielchen aufmachen konnte: Bei sofortigem Halt wäre der Gz vermutlich irgendwo in der Einfahrt zum Stehen gekommen, wäre vor allem noch nicht automatisch rückgeblockt worden, und das Stellwerk hätte die Einstellung einer Durchfahrt nicht akzeptiert.

Die eigentliche Unfallursache sehe ich allerdings nicht darin, dass der Güterzug-Tf ein paar Meter zu weit gefahren ist. Man muss als Tf  auch keine Angst haben, dass jeder zusätzliche Meter Bremsweg bei einer Fehlleitung uns einem Auffahrunfall näher bringt. In den meisten Stellwerken dürfte das Szenario Karow nicht möglich sein. Beunruhigend ist allerdings die Vorstellung, dass noch weitere LST-Anlagen im Stile von Berlin-Karow existieren könnten. Wenn man erfährt, was für ein Gurkenstellwerk in Karow gebaut wurde, wird man jedenfalls sehr nachdenklich. Im Zuge des Berliner Pilzkonzepts wurde 2006 in Angermünde ein ESTW errichtet und die elektromechanische Stellwerkstechnik in Karow durch ein Provisorium in Form eines Gleisbild-Containerstellwerks ersetzt. Es musste schnell gehen, wegen Fußball-WM und dem besagten Pilzkonzept. Das Containerstellwerk entsprach zwar der eigentlich recht soliden Bauform GS II, allerdings in einer vereinfachten Variante. Es gab in der Containerversion keinen Weichenselbstlauf, keine Fahrstraßensignalstellung, keine Gleisfreimeldeanlage und keine Einfahrt-/Ausfahrt-Wiederholungssperre. Insbesondere die beiden letztgenannten Einrichtungen hätten den Unfall verhindern können. Man darf wie ich finde mal vorsichtig die Frage stellen, warum so ein Spar-Stellwerk im Jahr 2006 noch genehmigungsfähig war. Stand der Technik sieht anders aus. Vor allem wurde das Provisorium ja offensichtlich zum Dauerzustand. Es ist bis heute im Einsatz.

Wenn man lernen muss, wie die Eisenbahn funktioniert, soll man die Sachen ja strukturieren und sich Brücken bauen. Der Karower Unfall eignet sich da wie ich finde recht gut. Wenn ich an Fehlleitung denke, habe ich jetzt eine Begriffskette „Fehlleitung -> Durchfahrt -> sofort halten“ im Kopf.

Neue Nebensignale 2011

Nach zwei Jahren relativer Ruhe an der Signalfront gibt es 2010/2011 wieder was neues im Signalbuch, nämlich vier neue Nebensignale. Davon sind drei bereits letzte Woche in Kraft getreten, das vierte, ein ETCS-Signal, soll Mitte 2011 folgen.

Die drei Signale vom letzten Samstag sind Überwachungssignale für Rückfallweichen, also Weichen die man aus stumpfer Richtung ohne Beschädigung auffahren kann. Ein Hydraulikdämpfer stellt die Weiche dann kurze Zeit später in Grundstellung zurück. Insbesondere für Strecken mit Zugleitbetrieb werden Rückfallweichen gerne genommen, denn mit zwei solchen Weichen kann man einen Bahnhof bauen, in dem zwei Züge kreuzen können, ohne dass jemand vor Ort oder ferngesteuert eine Weiche umstellen müsste.

Wenn man die Rückfallweiche spitz befahren möchte wäre es natürlich wichtig zu wissen, ob der Hydraulikdämpfer die Zungen wirklich wieder bis in Endlage gedrückt hat. Besondere Überwachungssignale für Rückfallweichen hatte allerdings nur die alte Deutsche Reichsbahn (landläufig auch „DV-Gebiet“ genannt). Dort gab es die Überwachungssignale So 18a und b, und die zugehörige Ankündigungsbake So 17. Bei der Bundesbahn („DS-Gebiet“) und den NE-Bahnen hatte man kein besonderes Signal für Rückfallweichen, stattdessen wurden einfach Lichtsperrsignale verbaut, bei denen oft nur ein rotes (Hp 0) und ein weißes Licht (Kennlicht) bestückt war.

Das alte So 18a

Das alte So 18a

Das alte So 18b

Das alte So 18b

Im Signalbild So 18b sah das EBA wie man hört ein Problem. „Ein weißes Licht“ bedeutete hier, dass die Weiche nicht in Endlage war und daher vor der Weiche zu halten war. Damit wich das So 18b von den Grundsätzen des Signalbuchs ab. Ein Lokführer ist sonst nämlich darauf geeicht, ein weißes Licht als Kennlicht anzusehen, an dem er vorbeifahren darf. Ob es wohl wirklich irgendwo einen Vorfall gegeben hat, wo jemand am vermeintlichen Kennlicht vorbei in eine unverschlossene Rückfallweiche gekachelt ist?

Jedenfalls hat das EBA verfügt, die vorhandene Basis an So 18-Signalen innerhalb kurzer Frist umzubauen. Gleichzeitig wurden Nägel mit Köpfen gemacht und wieder ein paar alte So-Signalbegriffe der Reichsbahn getilgt. Die umgebauten So 18 sind jetzt Ne 13, die Bake So 17 ist jetzt Ne 12. Es steht auch nichts mehr einer Aufstellung dieser Signale im DS-Gebiet entgegen, so dass nun auch Westdeutschland mit den speziellen Rückfallweichenüberwachungssignalen beglückt werden kann.

Der Umbau der So 18 erfolgt kostengünstig durch zublechen des zweiten, bisher „ewigen Lichts“ und anbringen einer rückstrahlenden rechteckigen Tafel. Nach erfolgtem Umbau gilt dann „ein Licht – fahren“ (Ne 13a), „kein Licht – halten, Weiche sichern und den Vorfall melden“ (Ne 13b). Für Leute, die sich im Rahmen der Ausbildung mit den neuen Signalen herumschlagen müssen ist noch wichtig: Es wäre falsch, bei einer nicht in Endlage gekommenen Weiche davon zu sprechen, dass das Überwachungssignal der Rückfallweiche erloschen wäre. Das „Ne 13 ohne Licht“ ist eben nicht „erloschen“, sondern ein Signalbild für sich, nämlich das Ne 13b.

Das neue Ne 13a

Das neue Ne 13a

Das neue Ne 13b

Das neue Ne 13b

Voraussichtlich im Juni 2011 gibt es dann noch einen Nachschlag bei den Ne-Signalen. Neu hinzu kommt das Ne 14, die „ETCS-Halt-Tafel“ (Gelber Pfeil mit weißem Rand auf blauem Grund). Die Tafel markiert die Stelle, an der ein Zug mit ETCS in Betriebsart SR (eine Art Fahren auf Sicht) zu halten hat. Das Signal ist damit dem deutschen LZB-Blockkennzeichen nicht ganz unähnlich. Da das Signalbild ein Pfeil ist, hat das Ne 14 quasi seine eigene Zuordnungstafel. Die Pfeilspitze zeigt immer auf das Gleis, für das die Tafel gilt.

Maybach Motorregler R 32 f

Früher war alles besser. Die Lokomotiven robuster und die Lokführer besser ausgebildet. Da waren in der Ausbildung umfangreiche Schaltpläne, Schmierölkreisläufe und ähnliches mehr zu pauken. Das findet heute in der Form nicht mehr statt. Irgendwann kam man davon ab, dem angehenden Lokpersonal die Bauteile des Arbeitsgeräts im Detail zu erklären. Teilweise ist das dadurch zu erklären, dass moderne Triebfahrzeuge ohnehin weniger Eingriffsmöglichkeiten im Störungsfall bieten. Aber auch wer noch in den Genuss einer Ausbildung auf den alten Lokomotiven der Nachkriegsgeneration kam, bekam immer häufiger den geflügelten Satz „Das musst Du nicht wissen“ zu hören, wenn man es mal ganz genau wissen wollte.

Eines dieser Bauteile, die heute als magische schwarze Kiste dargestellt werden, ist zum Beispiel der mechanische Motorregler R 32 f von Maybach. Man fand ihn auf einer Vielzahl von Diesellokomotiven. Die V 60 hatte ihn, die V 100 auch, und weil mein Verein beide Loktypen im Fuhrpark hat, möchte ich den altehrwürdigen Motorregler ins Internetzeitalter herüber retten. Mal gucken, wie mir das gelingt. Zum Verständnis wäre ein Schaubild des Innenlebens sehr vorteilhaft. Unter anderem in der Arbeitsmappe zur V 100 ist eines drin, leider nur teilweise beschriftet. Ich kann es aber nicht ins Internet stellen. Urheberrecht, wissenschon… Also mache ich es mal rein textlich.

Aufgabe des Motorreglers ist es, die Füllung (also die eingespritzte Kraftstoffmenge) entsprechend den Wünschen des Lokführers einzustellen. Nebenbedingungen sind, mindestens die Leerlaufdrehzahl zu halten, die Höchstdrehzahl des Motors nicht zu überschreiten, beim Start den Motor zu schonen und bei Störzuständen abzuschalten. Dafür hat man heute üblicherweise ein komplexes elektronisches Motormanagement am Start. In den 50er Jahren war die Antwort der Maybach-Ingenieure dagegen ein überwiegend mechanisch arbeitender Regler, der aus einer Ansammlung von raffiniert angeordneten Schiebern, Hebeln und Stößeln besteht. Um regeln zu können, ist der Regler mechanisch mit den Einspritzpumpen verbunden. Bei der V 60 wirkt er beispielsweise auf eine Zahnstange, mit der eine Steuerhülse an der Einspritzpumpe verdreht wird.

Um mal eben die Hauptbauteile des Reglers klarzukriegen, möchte ich das Pferd von hinten aufzäumen. Das Verbindungsstück zur Einspritzpumpe wird von einem Arbeitskolben bewegt. Auf diesen wirkt wiederum der Hauptsteuerschieber des R 32 f. Zwischen Hauptsteuerschieber und Arbeitskolben befindet sich „Arbeitsöl“ als Übertragungsmedium. Dabei handelt es sich schlicht um Drucköl vom Motor. Mit diesem kleinen Kniff wird trickreich die Überwachung des Motorschmieröldrucks in den Motorregler einbezogen. Denn ohne mindestens 1,5 bar Öldruck kann der Hauptsteuerschieber machen was er will – eine Gegendruckfeder zwingt die Einspritzpumpe sonst in Stellung Nullförderung.

Man findet den Regler immer als Anbauteil am Motor, denn über eine vom Motor angetriebene Welle wird die aktuelle Motordrehzahl erfasst. Gemessen wird sie als Kraft, die ein rotierendes Fliehgewichtpaar auf eine Steuermuffe ausübt, die zwischen einer „Leerlauffeder“ und einer „Volllastfeder“ eingeklemmt ist. Je nach momentaner Drehzahl streben die Fliehgewichte weiter nach außen und üben also einen bestimmten Druck auf die Reglermechanik aus. Ab den kritischen Drehzahlen überwiegen die Kräfte der einen oder der anderen Feder. So kann dafür gesorgt werden, dass der Motor die Leerlaufdrehzahl nicht unterschreitet und die Höchstdrehzahl nicht überschreitet.

Ein Motor, der nur Leerlauf kann, ist natürlich langweilig und nach gängigen Maßstäben nutzlos. Deshalb gibt es einen weiteren Betätigungsweg, der vom Fahrschalter ausgehend zum Nebensteuerschieber des Reglers führt. Der Nebensteuerschieber und der Drehzahlregelungsteil sind über einen gemeinsamen Hebel mit dem Hauptsteuerschieber des R 32 f verbunden.

Betätigung durch Membranventil

Bei der V 60 lässt sich stufenlos die Füllung verstellen. Wenn man am Fahrschalterhandrad dreht, verstellt man letztlich ein Feinregelventil, mit dem ein bestimmter Steuerluftdruck eingestellt wird, der den Nebensteuerschieber des R 32 f mehr oder weniger weit eindrückt. Ich stelle das jetzt hier mal vereinfacht dar. Zwischen Fahrschalter und dem Schieber liegt noch allerhand wichtiges Geraffel, zum Beispiel Sifaventil, Verzögerungsventil und Überlastungsschutz, die jetzt aber nicht weiter von Interesse sind. Zwischen 0 und 1,5 bar Steuerdruck passiert am Regler erstmal gar nichts. Ab 1,3 bar wird immerhin das Getriebe vollständig gefüllt. Damit hat allerdings der R 32 f nichts zu tun. Ab 1,5 bar und aufwärts bewegt sich dann tatsächlich was, der Regler erhöht die Füllung, und der Motor dreht hoch. Bei 5,7 bar Steuerluftdruck ist auf der V 60 die maximale Füllung erreicht. Diese wird so lange zugelassen, bis man sich der Höchstdrehzahl des Motors nähert. An diesem Punkt regelt der R 32 f ab.

Betätigung durch 16-Stellungs-Gerät

Bei der V 100 kann man nicht stufenlos an der Füllung drehen, stattdessen hat man den bekannten Fahrschalter mit 15 Stufen. Stufe 0, 1 und 2 sind alle noch Leerlauf. In 1 hat man eine Getriebeteilfüllung, ab Stufe 2 ist das Getriebe vollständig gefüllt. Fahrstufe 3 ist die erste, in der die Füllung des Motors erhöht wird. Mit 5 Magnetventilen und einem 16-Stellungs-Regelgerät werden bei der V 100 die Fahrschalterstufen in Druck auf den Nebensteuerschieber des R 32 f umgesetzt. Dass es auf allen damaligen DB-Dieselloks die gleichen 5 Magnetventile gab, war der Grund warum bei der DB auch Loks unterschiedlicher Baureihen gemeinsam in Doppeltraktion verkehren durften.

In Fahrstufe 3 wird das Magnetventil V1 geschaltet, und damit das 16-Stellungs-Regelgerät um gleich mal 8 mm verstellt. Die anderen Magnetventile bewirken unterschiedliche Kolbenwege. V2 hat 4 mm, V3 schaltet 2 mm, V4 nur 1 mm, und V5 bewirkt 7 mm Kolbenbewegung. Durch Schaltung von Kombinationen dieser 5 Ventile lässt sich die Füllung in 1-mm-Schritten in 13 Stufen regeln. An V5 setzt darüber hinaus der simple Schleuderschutz der DB-Dieselloks an. Wenn dieser Schutz der Meinung ist, dass die Lok schleudert, wird V5 entlüftet und die Füllung somit um 7 Fahrstufen zurückgenommen.

Reglermagnet und Startbegrenzung

Es gibt noch verschiedene Sicherheitseinrichtungen am R 32 f. Die eine ist ein „Reglermagnet“. Dieser Elektromagnet hat die Aufgabe, einen Hebel aus dem Weg zu räumen, mit dem der Hauptsteuerschieber in Stellung Nullförderung mechanisch blockiert wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Diesel abstellt, wenn der Reglermagnet abfällt. Er tut dies, wenn der Triebfahrzeugführer den Motor abstellen will.  Sollte sich der Motor nicht auf diesem elektrischen Weg abstellen lassen, so gibt es am Regler selbst noch einen Notabstellzug. Auf der V 60 wurde ab Werk über den Reglermagnet zusätzlich die Notabschaltung des Motors bei zu hoher Kühlwassertemperatur realisiert. Da dies zu Motorschäden durch Wäremstau führen konnte, wurde das später geändert (Kühlwasserwächter wirkt jetzt auf das Steuerluftventil, so dass der Motor in Leerlauf geht). Bei der V 100 wird bei Kühlwasser- oder Getriebeöl-Übertemperatur die Stromzufuhr zum Fünffach-Magnetventil gekappt, so dass ebenfalls Leerlauf eingeregelt wird. Im Auslieferungszustand war der Getriebeöl-Temperaturwächter allerdings auf das Überwachungsrelais Fahrdieselmotor geschaltet und bewikte somit ein Abfallen des Reglermagneten.

Die zweite wesentliche Sicherheitseinrichtung ist die Startbegrenzung. Sie begrenzt den Regelweg des Hauptsteuerschiebers auf etwa 60 %. Der Kolben der Startbegrenzung wird durch Motorschmieröl betätigt. Sie ist in drei Fällen aktiv:

  1. Die Schmierölvorpumpe läuft. Wir haben es also mit einem Anlassvorgang zu tun. Mit der Startbegrenzung wird verhindert, dass der Motor zuviel Füllung erhält.
  2. Die Öltemperatur liegt unter 60 °C.
  3. Der Differenzdruckschieber am Siebscheibenfilter hat angesprochen (Druckunterschied von mehr als 5 bar vor und hinter dem Filter). Das passiert immer dann, wenn dieser Ölfilter mit Dreck zugesetzt ist.

Eingriffsmöglichkeiten

Sollte es zu einer Störung im Steuerluftsystem oder am 16-Stellungs-Regelgerät der V 100 kommen, so kann man dies am Regler überbrücken. Hier kommen wir nun das erste Mal zu Bauartunterschieden verschiedener R 32 f. Und zwar gibt es welche mit Notbetätigungshebel und welche ohne. Mit Notbetätigungshebel kann man den Regler bei abgeschaltetem Motor auf etwa 2/3 Füllung festlegen. Ohne den Hebel muss man am 16-Stellungs-Regelgerät drehen. Bei einer V 60, die kein 16-Stellungs-Gerät hat, ist man natürlich an dieser Stelle schnell am Ende.

Varianten

Außer dem R 32 f sind mir in der Literatur die Varianten R 32 fu (dies scheint ein Druckfehler zu sein?), R 32 fn (wenn ich raten müsste, steht das n für Notbetätigung) und R 32 gf über den Weg gelaufen. Was deren jeweilige Besonderheiten sind – gute Frage.

Variante R 32 p

Auch ein R 32 – und doch sehr anders. Der R 32 p ist der Motorregler, der auf der BR 218 mit TB11-Motor und in der V 90 eingebaut war (vor der Remotorisierung). Da diese Loks keine Kupplungen, sondern nur zwei Wandler im Getriebe haben, kann man Drehzahlregelung statt Füllungsregelung machen. Hierzu wird der Drehzahlregelungsteil des R 32 f gewissermaßen um eine Feder mit verstellbarer Vorspannung ergänzt. Auf diese Feder wirkt die pneumatische Fahrsteuerung der V 90 oder das 16-Stellungs-Gerät der 218. Zusätzlich hat der R 32 p eine drehzahlabhängige Füllungsbegrenzung. Diese soll verhindern, dass die eingespritzte Kraftstoffmenge in grober Weise nicht zur momentanen Motordrehzahl passt. Falls zum Beispiel die Drehzahl trotz voller Füllung einbricht, wird die Füllung vom Begrenzer um bis zu 1/3 zurückgenommen.

Crashkurs BOA NRW für Betriebsdienstler

Die Verordnung über den Bau und Betrieb von Anschlussbahnen, kurz BOA, ist eine übergeordnete Rechtsgrundlage für den Eisenbahnbetrieb auf – wer hätte es gedacht – Anschlussbahnen. Anschlussbahn hört sich erstmal nach gewaltig großen Bahnanlagen an, aber auch ein kleiner Gleisanschluss mit einer Anschlussweiche und ein paar Metern Gleis fällt unter diesen Begriff.

Anschlussbahnen werden über das Kriterium der „Nichtöffentlichkeit“ der Infrastruktur definiert. Während auf öffentlichen Eisenbahnen die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) gilt, gilt auf Anschlussbahnen stattdessen die besagte BOA. Wobei BOA allerdings nicht gleich BOA ist. Anschlussbahnen sind in Deutschland Ländersache. Deshalb gibt es zwar nur eine EBO, aber 16 verschiedene BOA. In Bayern und im Saarland spricht man nicht von BOA, sondern von EBOA, in Hessen vom Hessischen Eisenbahngesetz und in Berlin vom „Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen“. Das bedeutet für den Praktiker: Bevor man auf Anschlussbahnen in anderen Bundesländern tätig wird, lohnt ein Blick in die jeweilige Landes-BOA. In den BOAs aus „Neufünfland“ ist es zum Beispiel generell üblich, dass der Aufenthalt im Berner Raum verboten ist, solange die Fahrzeuge noch nicht stillstehen. In Westdeutschland ist man da weniger ängstlich.

Um die Hierarchie der Vorschriften zu verdeutlichen habe ich mal folgendes Bildchen gebastelt:

Wie man vielleicht erkennt, kann über die Landes-BOA auch noch ein Landeseisenbahngesetz geschaltet sein. Einige Bundesländer haben aber kein LEG. Nordrhein-Westfalen hat seit 2007 keins mehr. Da ich in NRW Bahnbetrieb durchführe, geht es im Folgenden ausschließlich um die BOA NRW.

Was steht nun drin in der Verordnung? Ein großer Teil beschäftigt sich mit der Beschaffenheit der Infrastruktur und Anforderungen an die Fahrzeuge. Beides ist eher ein Fall für die Werkstatt und Prüfingenieure. Gehen wir mal davon aus, dass die Infrastruktur den Vorschriften entspricht. Die Fahrzeuge gehen mich schon eher an, weil sie meine Arbeitsgeräte sind. Die fahrzeugbezogenen  Vorschriften der BOA zielen übrigens besonders auf Fahrzeuge, die die Anschlussbahn im Zweifel nie verlassen werden, also die Werkslok zum Beispiel. Alles, was aber am Schild „Grenze der Anschlussbahn“ vorbeifährt, muss auch die Vorschriften der EBO erfüllen. An diesem Schild wechselt die Rechtsgrundlage für den Eisenbahnbetrieb von BOA zu EBO.

Aus Sicht des Wagenprüfers ist die BOA nicht großartig aufregend. Für ihn ist interessant, dass die BOA NRW in § 17 (2) einen Katalog dessen enthält, was die vollständigen Anschriften eines Fahrzeugs ausmacht. Dies sind: Eigentümer, Nummer, letzte Untersuchung, Bremsbauart, bei Tfz zusätzlich Hersteller/Fabriknummer/Baujahr/vMax/Bremsgewicht, bei Wagen Eigengewicht und Tragfähigkeit. Ja genau, das Bremsgewicht müsste rein vom Standpunkt der BOA her nicht an den Wagen dranstehen, weil es auf der Anschlussbahn eh nur Rangierfahrten gibt. Die BOA NRW deckelt die Höchstgeschwindigkeit auf der Anschlussbahn übrigens auch auf 25 km/h. Also wird es nichts mit „Rangieren mit Ansage des freien Fahrwegs“ bzw. der EBL-Option aus § 53 (2) FV-NE. Wenn unser Wagenprüfer feststellen möchte, ob die Untersuchungsfrist eines Fahrzeugs noch nicht abgelaufen ist, muss er wissen, dass das Fristenschema der BOA NRW „3 Jahre plus max. dreimal 1 Jahr Verlängerung“ ist. Das ist wesentlich kürzer als unter EBO.

Ein wichtiger Ausfluss der BOA ist die „Anweisung für den Eisenbahnbetriebsdienst“ der jeweiligen Anschlussbahn – auch salopp „Bedienungsanweisung“ genannt. Die Funktion ist analog von ÖRil und SbV. Die Aufstellung einer Bedienungsanweisung kann entfallen, wenn nur fremde EVU den Anschluss nutzen. Dann muss deren Personal aber eine „besondere Unterweisung“ vom Anschlussinhaber bekommen.

Für Rangierbegleiter sind zwei Dinge an der BOA NRW interessant: Sie erlaubt das Festlegen von Fahrzeugen mit der Druckluftbremse nämlich nur für 15 Minuten, statt 60 Minuten wie in den Fahrdienstvorschriften. Die NRW-Landesregierung scheint wenig Vertrauen in die Dichtigkeit der Druckluftbremsen zu haben… Das zweite ist die Forderung, nachts die Spitze von Fahreinheiten mit mindestens einem weißen Licht zu kennzeichnen.

Da unser Verein auch mit Dampfkraft fährt, behalte ich mal die Vorschrift „Zwischen einer Dampflokomotive mit Feuerung und Wagen mit sprenggefährlichen Ladungen müssen mindestens zwei Schutzwagen laufen“ im Hinterkopf. Man weiß ja nie, wann man das nächste Mal das Bedürfnis hat, Sprengstoff mit dem Dampfzug zu transportieren… Auch ganz süß ist § 38 BOA NRW, „Personenbeförderung auf der Anschlussbahn“. Eigentlich müsste man diesen Paragraphen jedem Fahrgast vor Antritt der Fahrt laut vorlesen. Wahrscheinlich würden die Leute dann schreiend den Zug verlassen. In Nr. 38 stehen Perlen drin wie „Die Fahrgäste dürfen nur an den dazu bestimmten Stellen und auf der vorgeschriebenen Seite der Fahrzeuge ein- und aussteigen. Sie haben sich in genügender Entfernung von den Gleisen aufzuhalten. Nach dem Abfahrtszeichen darf niemand mehr ein- oder aussteigen“, „Mit Personen besetzte Wagen dürfen nur so verschlossen sein, daß sie von den Insassen geöffnet werden können“ oder „Die Mitnahme von Gegenständen, die aus dem Wagen hinausragen, ist untersagt“.

Rangierdienst nach FV-NE und Ril 408

Dieser Artikel ist quasi eine ausführlichere Fassung des von mir zum Wikipedia-Artikel Fahrdienstvorschrift beigetragenen gleichnamigen Abschnitts. Im Gegensatz zur Wikipedia, wo ich etwas „populärwissenschaftlicher“ formuliert habe, richten sich die folgenden Ausführungen eher an Leute vom Fach. Diese sind auch aufgerufen, mich auf etwaige Fehler hinzuweisen oder klärungsbedürftige Sachverhalte zu kommentieren. Möge die Ausarbeitung lehrreich sein und vielleicht sogar ein wenig unterhalten.

Insgesamt sind die Vorschriften für den Rangierdienst zwischen FV-NE und 408 weitgehend vereinheitlicht. Wer die Abläufe nach einer der beiden FVs gelernt hat, kann mit wenig Aufwand auch die andere Vorschrift meistern. Es gibt nur wenige wirklich materielle Unterschiede. Der Rest sind Formulierungsverschiedenheiten, manche davon sehr subtil, und manches ist eher Wortklauberei oder der Abteilung „das kann doch nicht der Wille des Vorschriftengebers sein“ zuzuordnen. Ich konzentriere mich an dieser Stelle vorrangig auf die Sicht des Rangierpersonals, weniger auf die des Weichenwärters. Also gehen wir es mal an:

Das wichtigste zuerst: Das Baugleis

Beide Fahrdienstvorschriften kennen zwar den Begriff des Baugleises, und in beiden Fällen ist die Folge, dass statt Sperrfahrten nun Rangierfahrten stattfinden. Unter FV-NE war’s das dann aber auch. Für Rangieren im Baugleis gelten dort keine Sonderregeln, soweit sich der EBL keine überlegt. Die DB Netz hat genau das getan und an verschiedenen Stellen in der 408 niedergelegt. Offensichtlich will man damit ein höheres Schutzniveau für die am Baugleis beschäftigten Personen erreichen.

0801 Abschn. 2 | § 51 Abs. 8 – Übertragung von Aufgaben auf den Rangierbegleiter

Die 408 fordert zur routinemäßigen Aufgabenübertragung einen Rangierplan, Dienstplan oder Betra. Die FV-NE spricht dagegen von einer „Anordnung“. Damit wird schlichtweg den anderen Organisationsformen der DB und der NE-Bahnen Rechnung getragen. Eine Anordnung könnte meiner Meinung nach eine beliebige weisungsbefugte Stelle abgeben, unter der 408 braucht man dagegen einen Rangierplanersteller, Dienstplan-Ersteller oder Betra-Ersteller, was den Personenkreis ja etwas einschränkt.

0801 Abschn. 3 | § 51 Abs. 9 – Platz des Tf bei der Fahrwegbeobachtung

In der FV-NE fehlt an dieser Stelle der Satz „Obliegt Ihnen als Triebfahrzeugführer die Beobachtung des Fahrwegs und der Signale, müssen Sie sich bei Triebfahrzeugen mit zwei Führerräumen im vorderen Führerraum aufhalten“. Das bedeutet im Umkehrschluss: Der NE-Tf kann prinzipiell auch hinten sitzen.

0801 Abschn. 4 | § 51 Abs. 12 – Bestimmung von Rangierern zur Signalweitergabe

Hier sind zwischen den beiden FV kurioserweise die Kompetenzen anders verteilt. Wenn der Tf Schwierigkeiten bei der Aufnahme der Rangiersignale hat, bestimmt unter der 408 der Rangierbegleiter zusätzliche Rangierer, damit sie Stille-Post-mäßig die Rangiersignale weitergeben. Unter FV-NE werden dieselben Rangierer aber nicht vom Rb, sondern vom Tf vergattert.

0811 Abschn. 1 | § 52 Abs. 1 – Verzicht auf Verständigung des Weichenwärters

Die Deutsche Bahn kennt hier ein paar mehr Fälle als die NE, in denen vor Fahrzeugbewegungen der Ww nicht verständigt werden muss. Dies sind: Beidrücken durch Förderanlagen oder rechnergesteuerte Loks, Nachfahren von Tfz aus Einfahrstumpfgleisen (dies muss nach 0811 3 Abs. 2b ohnehin durch ÖRil  gesondert erlaubt sein), und das Baugleis. Unter FV-NE gäbe es eigentlich keinen zwingenden Grund, das Unterlassen der Verständigung nicht zu erlauben, allerdings scheint dafür schlicht kein großflächiger Bedarf zu bestehen. Nur die DB hat auf Hochleistung getrimmte Kopfbahnhöfe und Rangierbahnhöfe.

0811 Abschn. 2 | § 52 Abs. 3 – Fahrbereitschaftsprüfung

Bei buchstabengetreuer Auslegung der Vorschriften wird es hier wieder kurios. Und zwar fordert die 408 „Außentüren von Reisezugwagen müssen geschlossen sein“. Die FV-NE kapriziert sich dagegen nur auf „seitwärts aufschlagende Türen von Reisezugwagen“. Nach innen oder sonstwo aufschlagende Türen dürften nach dieser Lesart also durchaus während der Fahrt offenstehen.
Umgekehrt ist die 408 bei der Behandlung blinder Passagiere auf Zusatzanlagen etwas lasch; die FV-NE fordert hier kategorisch „Personen, die sich in den Fahrzeugen befinden, müssen aussteigen“. Unter 408 müssen vor der Fahrzeugbewegung dagegen nur die Personen aussteigen, „die sich zum Be- oder Entladen im Wagen befinden“. Alle anderen dürften demnach drinbleiben und mitfahren.

Insgesamt sicher eine extreme Lesart. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die feucht-fröhliche Mitfahrt einer Ladung Ladearbeiter in Richtung Bahnhofskneipe („nicht zum Be- oder Entladen im Wagen“) durch anderes mitgeltendes Regelwerk erfolgreich unterbunden wird. Verbuchen wir es mal besser unter „Spaß mit der Fahrdienstvorschrift“…

0821 Abschn. 5 | § 53 Abs. 2 – Rangieren mit Ansage des freien Fahrwegs

In erster Näherung gilt: Dieses Verfahren gibt es auf NE-Infrastruktur nur dann, wenn der EBL zusätzliche Weisungen dazu erlassen hat. Nur wenn diese Anordnungen vorliegen kann auf NE mit mehr als 25 km/h rangiert werden.

0821 Abschn. 6 | § 53 Abs. 4 – Hemmschuhe auf Gleiswaagen

Hier ist interessant, dass die 408 es theoretisch erstmal erlaubt, mit Hemmschuhen in der Nähe von Gleiswaagen zu hantieren – soweit es nicht in den ÖRil verboten ist. Die FV-NE will den teuren Gleiswaagen besser nicht zuviel zumuten und verbietet den Hemmschuh in deren Nähe vorsorglich komplett.

0821 Abschn. 11 | § 53 Abs. 7 – Verschieben

Entsprechend der anscheinend höheren Bedeutung des Verschiebens von Fahrzeugen bei den NE-Bahnen sind die Regelungen zum Verschieben in der FV-NE umfangreicher als in der 408.

0822 Abschn. 2 | § 54 Abs. 6 – Signale am Fahrweg

Bei den für die Rangierfahrt gültigen Signalen besteht ein kleiner Formulierungsunterschied: Die 408 spricht von „ortsfesten Signalen“, die FV-NE dagegen nur von „Haupt- oder Sperrsignalen“, die ich als Untergruppe der ortsfesten Signale auffassen würde. Der Unterschied erscheint mir für die Praxis unsinnig. Zwar könnte man überlegen, was einem außer Haupt- und Sperrsignalen noch im Bahnhof an Signalen begegnen könnte, die zu beachten wären – mir fallen da als wesentlicher Fall Lf-Signale mit Kz „1“ oder „2“ ein. Aber wer würde sich denn ernsthaft hinstellen wollen und sagen „Ätsch, für mich gilt unter NE als Rangierfahrt die 10er La im Bahnhof nicht“?

0823 Abschn. 1 | § 55 Abs. 1 – Sicherung von Bahnübergängen

Mysteriöserweise liest man in der aktuellen FV-NE nichts mehr von dem Posten, der bei Ausfall der technischen Sicherung den Bahnübergang sichert. So wie es derzeit da steht, könnte man auf die Idee kommen, einfach Pfeife ziehen und rüber sei genug. Ich habe mehrfach geschaut, ob da nicht doch irgendwo der Posten erwähnt wird. Tatsächlich taucht er zwar im Stichwortverzeichnis noch auf, mit Verweis auf § 44 (8), im Text dieses Paragraphen ist er aber spätestens seit der Berichtigung B13 nicht mehr explizit enthalten. Allenfalls könnte man die Generalklausel „…ist der Bahnübergang durch das Zugpersonal zu sichern“ so interpretieren, dass das Zugpersonal Posten stehen muss. Eine wie ich finde höchst unglückliche Formulierung, denn sie kann alles und nichts bedeuten. Auf den Posten tatsächlich zu verzichten geht allerdings nicht so einfach. Die EBO sagt: Wenn es Personal gibt, das den Posten machen kann, dann muss auch ein Posten gestellt werden. Pfeife und rüber geht nur, wenn der Tf ganz alleine unterwegs ist. Soweit EBO § 11 Abs. 19. Die 408 handelt diese ganze Posten-Geschichte wesentlich unmissverständlicher ab.

0825 Abschn. 1 | § 56 Abs. 1 – Gleise zum Ablaufen oder Abstoßen

408 und FV-NE nähern sich dem Problem, wo Abstoßen und Ablaufen erlaubt werden soll, von zwei unterschiedlichen Seiten. Unter der 408 ist beides erstmal grundsätzlich verboten, sofern die Gleise nicht explizit in den ÖRil dafür freigegeben sind. Die FV-NE erlaubt diese Rangierbewegungen dagegen erstmal grundsätzlich, sofern die Gleise nicht dem Katalog in § 56 Abs. 1 unterliegen. Um in Gleise mit Fahrzeugen an denen gearbeitet wird ablaufen/abstoßen zu lassen braucht man unter 408 erstmal eine Ausnahmegenehmigung per ÖRil, während sich die FV-NE diese zusätzliche Bürokratie spart und nur auf zusätzliche „besondere Sicherungsmaßnahmen“ abhebt.

0825 Abschn. 5 | § 56 Abs. 6 – Ablaufen langer Drehgestellgüterwagen

Die 408 hat gebrauchsfertige Regeln für das Ablaufen von Drehgestellgüterwagen mit Innenachsstand von mehr als 14 m niedergelegt. Man braucht nur dann die Öril, wenn man trotz unwirksamer Sperreinrichtungen an den Weichen Ablaufen lassen will oder eine vorhandene automatische Laufwegsteuerung nutzen will. Unter FV-NE muss der EBL dagegen das Ablaufen dieser Wagen überhaupt erstmal per SbV freigeben, da es nämlich sonst verboten ist.

0831 Abschn. 1 | § 57 Abs. 1 – Fahrzeuge ohne wirkende Wagenbremse bewegen

In der FV-DB ist für den Standardfall eines Bahnhofs ohne wesentliches Gefälle niedergelegt, wieviele Achsen man bewegen darf, ohne die Fahrzeuge an die Luft zu nehmen. Es sind 22 Achsen für Köf III und 40 Achsen für Köf 360 und größer. Wer schonmal mit einer Köf rangiert hat weiß, dass 22 Achsen unter Umständen reichlich bemessen sind. So eine Rangierabteilung kann schon kräftig schieben, wenn man sie wieder anhalten möchte. In der FV-NE ist dagegen nichts standardmäßig festgelegt. Stattdessen will das Regelwerk, dass der EBL ein wenig rumrechnet und Bremslastentafeln für jede eingesetzte Tfz-Bauart aufstellt. Für den Fall einer typischen Köf III, ebenem Bahnhof mit 400 Meter Bremsweg und Wagen mit maximal schwerer Achslast kommen nach dem FV-NE-Formelwerk übrigens 18 Achsen heraus. Je angefangene 14 Achsen muss ein weiteres Fahrzeug an die Druckluft genommen werden.

Die FV-NE enthält keinen Passus analog 0831 Abschnitt 1 Absatz 2 (wenn Güterwagen in der Abteilung sind und nicht alle Wagen an der HLL hängen, ist auf DB-Gleisen die Bremsstellung G einzustellen).

0831 Abschn. 1 | § 57 Abs. 6 – Abstoßen/Ablaufen ohne bediente Handbremsen

Überraschung – hier ist mal nicht bloß die Formulierung anders, sondern die Zahlen sind zwischen den beiden FVs unterschiedlich: Unter FV-NE dürfen jeweils 2 Achsen mehr ohne besetzte Handbremse abgestoßen und ablaufen gelassen werden. Warum die DB, die ja sonst auch kein Kind von Traurigkeit ist, sich hier weniger traut als die NE-Bahnen, würde mich sehr interessieren.

0831 Abschn. 2 | § 57 Abs. 8 – Auflaufen von hemmschuhgebremsten Fahrzeugen

Die 408 ist hier eindeutig: Wenn mit Hemmschuhen gebremst wird, dürfen sich die Puffer der sich bewegenden Fahrzeuge und eventueller stehender Fahrzeuge unter keinen Umständen küssen. Punkt und aus. Die FV-NE lässt dem EBL hier eine Hintertür, durch die er dazu optieren kann, dass „bei günstigen örtlichen Verhältnissen“ die Wagen in seinem Bahnhof mit langsamer Schrittgeschwindigkeit auflaufen dürfen.

0901 Abschn. 1 | § 60 Abs. 1 – Übergang von Rangierfahrt in Zugfahrt

Die FV-NE hat hier vergleichsweise flexiblere Regeln, was Übergänge von Zugfahrten in Rangierfahrten und umgekehrt ohne Halt angeht. So besteht unter FV-NE die Möglichkeit, dass der Übergang Rangierfahrt-Zugfahrt nicht am Hauptsignal stattfinden muss, sondern an einer in der SbV genannten Stelle. Das macht Sinn, denn der typische NE-Bahnhof hat schlicht gar keine Hauptsignale.

Die 408, die FV-NE und die AnFab

Eine der Nachwirkungen der Trennung zwischen Staats- und Privatbahnen in Deutschland ist, dass es noch immer zwei verschiedene Fahrdienstvorschriften gibt, für die man gesondert ausgebildet und geprüft sein muss. Für den Bereich der DB Netz ist das die Richtlinie 408, und die nichtbundeseigenen Eisenbahnen haben ihre Fahrdienstvorschrift-NE. Schon seit vielen Jahren läuft nun eine Diskussion, wie man die beiden Vorschriften zusammenschmeißen könnte, um sich doppelte Ausbildung zu sparen, das Personal zu entlasten und so die Eisenbahnwelt besser zu machen. Heraus kam ein Entwurf mit dem Titel „Anweisung für den Fahrbetrieb“, kurz AnFab. Dieser wurde in sachverständigen Kreisen erarbeitet, im Jahr 2004 in der Zeitschrift „Deine Bahn“ kommentiert und geistert seitdem wie ein Untoter durch die Fachliteratur.

Dass jemand tatsächlich den Schritt tun würde und sagt „wir führen jetzt mal die AnFab ein“, davon ist schon lange keine Rede mehr. Das Problem der AnFab ist, dass darin eigentlich kaum etwas zwischen FV-NE und 408 vereinheitlicht wurde, sondern nur ein kleinster gemeinsamer Nenner festgehalten wurde. Die AnFab macht noch stärker als die FV-NE davon Gebrauch, die genaue Ausgestaltung der Regeln dem jeweiligen Eisenbahnbetriebsleiter zu überlassen. Wann immer es spannend wird, zieht sie sich auf die Floskel „näheres regelt der EBL“ zurück. Sie ist eine absolute Minimal-Fahrdienstvorschrift. Genausogut könnte man versuchen, nur anhand der EBO Bahnbetrieb durchzuführen. Selbst das Kapitel Rangierdienst, das zwischen FV-NE und 408 bereits nahezu wortgleich ist und mit wenig Aufwand und ohne große Schmerzen völlig vereinheitlicht werden könnte, dampft die AnFab stattdessen auf rekordverdächtige acht Absätze ein.

Die AnFab ist also eher als akademisches Experiment anzusehen, weniger als ein praxistaugliches Regelwerk. Wenn man die AnFab tatsächlich allgemeinverbindlich einführen würde, wäre die Situation meiner Meinung nach schlimmer als heute. DB Netz würde wohl ein umfangreiches Druckwerk „Zusätzliche  Regelungen zur AnFab im Netz der Deutschen Bahn“ oder so ähnlich rausbringen und hätte damit im Ergebnis quasi wieder eine 408, nur unter neuem Namen. Im Bereich der NE-Bahnen wären die Folgen dagegen im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagend. Hunderte EBL müssten landauf, landab neue Regelwerke aufsetzen für Sachen, die bislang in der FV-NE zur Zufriedenheit aller Beteiligten geregelt waren. Das Ergebnis könnte völliger Wildwuchs bei den NE-Vorschriften sein.