Still und leise ist am 7. Mai 2011 eine neue Verordnung in Kraft getreten, die die Fahrberechtigung der Triebfahrzeugführer auf eine neue rechtliche Grundlage stellt. Mit der Triebfahrzeugführerscheinverordnung (was für ein unhandliches Wort – kurz TfV) wird die EU-Triebfahrzeugführerzertifizierungsrichtlinie 2007/59/EG in Deutsches Recht umgesetzt. Nach Ablauf der Übergangsfristen wird die bisherige VDV-Richtlinie 753, die bis jetzt die Tf-Ausbildung regelte, für die allermeisten Fälle mega-out sein. In bestimmten Nischen wird VDV 753 aber weiterhin gebraucht. Lokführer, die sich ausschließlich in Werkstattbereichen bewegen, sind zum Beispiel ausgenommen. Für diese galt auch schon VDV 753 nicht. Dennoch war es in vielen Betrieben üblich, die Ausbildung der Werkstatt-Lokführer trotzdem nach der VDV-Schrift durchzuführen. Das wird unter TfV nicht anders sein – man kann, muss aber nicht. Auch für die Lokführer auf ausschließlich nichtöffentlicher Infrastruktur („BOA-Triebfahrzeugführer“) ist die TfV nicht von Interesse. Deren Ausbildung richtete sich schon immer mehr an örtlichen Verhältnissen als irgendwelchen Rahmenlehrplänen aus. Eine ziemlich große Nische könnten die „Regionalbahnen“ nach § 2 Abs. 9 AEG werden. Die TfV gilt nämlich nur für EVU, die eine Sicherheitsbescheinigung brauchen – Regionalbahnen gehören nicht dazu.

Für die große Masse der Lokführer ändert sich durch die Umstellung von VDV 753 zum TfV-Schein in Sachen Führerschein alles ein bisschen, aber bei näherem Hinsehen gar nicht mal so sehr. Mit der TfV verbinden sich verschiedene Hoffnungen, zum Beispiel auf bessere Möglichkeiten zum Ausbremsen der schwarzen Schafe in Ausbildung und Betrieb. So hat sich gezeigt, dass die AZWV-Zertifizierung eines Bildungsträgers noch lange nicht heißt, dass dort auch tatsächlich Unterricht in gebotener Qualität stattfindet. Die Firma easy2learn hat sich da mit Ausbildung am MS Trainsimulator und Tischkicker statt Theorie unsterblich gemacht. Die TfV dehnt die Überwachungskompetenz des Eisenbahn-Bundesamts auf die gesamte Kette der Ausbildung von Lokführern aus. Das geht los bei Bahnärzten und Verkehrspsychologen, über die besagten Ausbildungsstätten, und natürlich bis hin zu den Eisenbahnunternehmen.

Schaut man in Anlage 1 der TfV, so stellt man fest, dass die allseits bekannte Erika Mustermann sich auf ihre alten Tage nochmals beruflich neu orientiert hat. Sie ist jetzt Triebfahrzeugführerin. Der neue Schein des Führers ist ein behördliches Dokument und wird vom EBA ausgefertigt, nicht mehr vom Betriebsleiter im stillen Kämmerchen. Es bleibt bei der bewährten Aufteilung in Führerschein und Beiblatt (welches jetzt Zusatzbescheinigung heißt). Auch neu ist: Über die Daten der ausgegebenen Führerscheine wird beim EBA ein zentrales Register geführt. Über Inhalte von Zusatzbescheinigungen bekommt das EBA nur auf Verlangen Kenntnis, oder wenn die Daten auf Grund der Liquidation eines Eisenbahnunternehmens kraft § 10 Abs. 5 an das EBA übergehen.

Auch die Führerscheinklassen ändern sich. An die Stelle der Klassen 1 (Rangierfahrten), 2 (Streckendienst mit Beschränkungen) und 3 (Streckendienst) treten die Führerscheinklasse A (Rangierfahrten) und B (Zugfahrten im Personen- und Güterverkehr). Klasse B kann beschränkt sein durch Angabe der Unterklasse 1 (nur Personenverkehr) oder 2 (nur Güterverkehr). Damit wird den heutigen Realitäten im Bahnmarkt Rechnung getragen. Die meisten EVU betreiben entweder ausschließlich Güterverkehr oder Personenverkehr. Ihre Leute sind nicht mehr ohne weiteres auf der jeweils anderen Zuggattung einsetzbar. Den einen fehlt beispielsweise die Gefahrgutausbildung, den anderen das Wissen über Türschließsysteme.
Die alte Führerschein-Klasse 2 hat keine direkte Entsprechung im neuen System. Sie wird ersetzt durch detailliertere Angaben im Beiblatt – Verzeihung, Zusatzbescheinigung. Allein zwei Seiten sind dort jetzt für die Beschreibung der befahrbaren Infrastruktur vorgesehen. § 9 Abs. 6 gibt den Hinweis, dass der umfangreiche Platz aber nicht der Auflistung von Streckenkenntnis dienen soll. Stattdessen ist – wie bisher auch – auf Zugbeeinflussungssysteme und Betriebsverfahren abzustellen. Gültige Angaben dürften in etwa aussehen wie „Ein- und zweigleisige Strecken nach Ril 408“, „Zugmeldebetrieb FV-NE“, „LZB CE“, „SZB-E“ oder „Albanische Feldbahn mit Elektrotraktion„. Vom EBA wird es wohl noch eine Ausfüllanleitung für das Ding geben.

Nach Lektüre der Verordnungsbegründung bin ich im Moment überzeugt davon, dass es hirnrissigerweise möglich ist, unter TfV einen Lokführer auszubilden, der nur Zugfahrten, aber keine Rangierfahrten durchführen kann. Dort steht geschrieben: „Nur Klasse B berechtigt nicht zu Rangierfahrten, daher wird als Regelfall betrachtet, dass wer die Klasse B vorweisen kann, auch Klasse A eingetragen hat“. Regelfall, aha. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wenn es tatsächlich möglich sein sollte, zukünftig nicht-rangierfähige Tf auszubilden, dann wird früher oder später irgendein EVU diese Möglichkeit nutzen und sich zum Gespött der Branche machen, wenn die Leute dann doch mal völlig unerwartet rangieren müssen.

Für den Nachwuchs – hauptsächlich aus der EIB-L/T-Ausbildung – ist wichtig, dass man unter TfV schon nach Ende des 20. Lebensjahres als Erwachsen gilt und somit nunmehr ein Jahr früher als bisher keine EBA-Ausnahmegenehmigung braucht. Dies ist der europäischen Vereinheitlichung zu verdanken.

Wie bisher bleibt der Führerschein Eigentum des Lokführers, die Zusatzbescheinigung ist Eigentum des Arbeitgebers. Bei Arbeitgeberwechsel erhält der Tf einen „Nachweis einer Zusatzbescheinigung“ und wie bisher seine Prüfbescheinigungen, auf dass ihm seine Prüfungen von der neuen Firma anerkannt werden.

Neu ist, dass man eine Prüfung nur zum Erhalt eines Führerscheins ohne Beiblatt ablegen kann. Abgeprüft wird dann sozusagen der „Allgemeinkram“ rund ums Thema Bahnbetrieb. Die praktische Relevanz dürfte gering sein, denn es bleibt dabei, dass der nackte Führerschein ohne Zusatzbescheinigung recht nutzlos ist. In der Praxis wird es weiterhin vor allem die „große Lösung“ geben, nämlich eine schriftliche, mündliche und praktische Prüfung, die dann direkt zum Führerschein mit Zusatzbescheinigung führt.

Was RFU und Überwachung angeht, werden die Zügel angezogen. Naja, jedenfalls ein bisschen. Neu ist, dass durchgeführte Begleitfahrten in der Zusatzbescheinigung vermerkt werden und auch an die EBA-Führerscheindatenbank gemeldet werden. Die TfV fordert dies allerdings nur im Turnus von drei Jahren.

Die ersten, die einen Führerschein nach TfV haben müssen, sind die Kollegen Auslandslokführer. Für sie wird er ab 29.10.2011 Pflicht. Um Ausbildungsgänge nach altem Recht noch geordnet zu Ende bringen zu können (die Ausbildungsstätten werden ihre Lehrgänge ja auch in Teilen neu konzipieren müssen), besteht für Azubis bis zum 29.10.13 ein Wahlrecht, ob sie einen TfV- oder 753er Führerschein haben wollen.
Spätestens ab dem 29. Okotober 2018 fahren dann auch die alten Hasen mit dem neuen Führerschein (natürlich nur soweit die TfV auf sie anwendbar ist – bis auf BOA-Tf und Werkstatt-Lrf sollte das i.a. der Fall sein).