Früher war alles besser. Die Lokomotiven robuster und die Lokführer besser ausgebildet. Da waren in der Ausbildung umfangreiche Schaltpläne, Schmierölkreisläufe und ähnliches mehr zu pauken. Das findet heute in der Form nicht mehr statt. Irgendwann kam man davon ab, dem angehenden Lokpersonal die Bauteile des Arbeitsgeräts im Detail zu erklären. Teilweise ist das dadurch zu erklären, dass moderne Triebfahrzeuge ohnehin weniger Eingriffsmöglichkeiten im Störungsfall bieten. Aber auch wer noch in den Genuss einer Ausbildung auf den alten Lokomotiven der Nachkriegsgeneration kam, bekam immer häufiger den geflügelten Satz „Das musst Du nicht wissen“ zu hören, wenn man es mal ganz genau wissen wollte.

Eines dieser Bauteile, die heute als magische schwarze Kiste dargestellt werden, ist zum Beispiel der mechanische Motorregler R 32 f von Maybach. Man fand ihn auf einer Vielzahl von Diesellokomotiven. Die V 60 hatte ihn, die V 100 auch, und weil mein Verein beide Loktypen im Fuhrpark hat, möchte ich den altehrwürdigen Motorregler ins Internetzeitalter herüber retten. Mal gucken, wie mir das gelingt. Zum Verständnis wäre ein Schaubild des Innenlebens sehr vorteilhaft. Unter anderem in der Arbeitsmappe zur V 100 ist eines drin, leider nur teilweise beschriftet. Ich kann es aber nicht ins Internet stellen. Urheberrecht, wissenschon… Also mache ich es mal rein textlich.

Aufgabe des Motorreglers ist es, die Füllung (also die eingespritzte Kraftstoffmenge) entsprechend den Wünschen des Lokführers einzustellen. Nebenbedingungen sind, mindestens die Leerlaufdrehzahl zu halten, die Höchstdrehzahl des Motors nicht zu überschreiten, beim Start den Motor zu schonen und bei Störzuständen abzuschalten. Dafür hat man heute üblicherweise ein komplexes elektronisches Motormanagement am Start. In den 50er Jahren war die Antwort der Maybach-Ingenieure dagegen ein überwiegend mechanisch arbeitender Regler, der aus einer Ansammlung von raffiniert angeordneten Schiebern, Hebeln und Stößeln besteht. Um regeln zu können, ist der Regler mechanisch mit den Einspritzpumpen verbunden. Bei der V 60 wirkt er beispielsweise auf eine Zahnstange, mit der eine Steuerhülse an der Einspritzpumpe verdreht wird.

Um mal eben die Hauptbauteile des Reglers klarzukriegen, möchte ich das Pferd von hinten aufzäumen. Das Verbindungsstück zur Einspritzpumpe wird von einem Arbeitskolben bewegt. Auf diesen wirkt wiederum der Hauptsteuerschieber des R 32 f. Zwischen Hauptsteuerschieber und Arbeitskolben befindet sich „Arbeitsöl“ als Übertragungsmedium. Dabei handelt es sich schlicht um Drucköl vom Motor. Mit diesem kleinen Kniff wird trickreich die Überwachung des Motorschmieröldrucks in den Motorregler einbezogen. Denn ohne mindestens 1,5 bar Öldruck kann der Hauptsteuerschieber machen was er will – eine Gegendruckfeder zwingt die Einspritzpumpe sonst in Stellung Nullförderung.

Man findet den Regler immer als Anbauteil am Motor, denn über eine vom Motor angetriebene Welle wird die aktuelle Motordrehzahl erfasst. Gemessen wird sie als Kraft, die ein rotierendes Fliehgewichtpaar auf eine Steuermuffe ausübt, die zwischen einer „Leerlauffeder“ und einer „Volllastfeder“ eingeklemmt ist. Je nach momentaner Drehzahl streben die Fliehgewichte weiter nach außen und üben also einen bestimmten Druck auf die Reglermechanik aus. Ab den kritischen Drehzahlen überwiegen die Kräfte der einen oder der anderen Feder. So kann dafür gesorgt werden, dass der Motor die Leerlaufdrehzahl nicht unterschreitet und die Höchstdrehzahl nicht überschreitet.

Ein Motor, der nur Leerlauf kann, ist natürlich langweilig und nach gängigen Maßstäben nutzlos. Deshalb gibt es einen weiteren Betätigungsweg, der vom Fahrschalter ausgehend zum Nebensteuerschieber des Reglers führt. Der Nebensteuerschieber und der Drehzahlregelungsteil sind über einen gemeinsamen Hebel mit dem Hauptsteuerschieber des R 32 f verbunden.

Betätigung durch Membranventil

Bei der V 60 lässt sich stufenlos die Füllung verstellen. Wenn man am Fahrschalterhandrad dreht, verstellt man letztlich ein Feinregelventil, mit dem ein bestimmter Steuerluftdruck eingestellt wird, der den Nebensteuerschieber des R 32 f mehr oder weniger weit eindrückt. Ich stelle das jetzt hier mal vereinfacht dar. Zwischen Fahrschalter und dem Schieber liegt noch allerhand wichtiges Geraffel, zum Beispiel Sifaventil, Verzögerungsventil und Überlastungsschutz, die jetzt aber nicht weiter von Interesse sind. Zwischen 0 und 1,5 bar Steuerdruck passiert am Regler erstmal gar nichts. Ab 1,3 bar wird immerhin das Getriebe vollständig gefüllt. Damit hat allerdings der R 32 f nichts zu tun. Ab 1,5 bar und aufwärts bewegt sich dann tatsächlich was, der Regler erhöht die Füllung, und der Motor dreht hoch. Bei 5,7 bar Steuerluftdruck ist auf der V 60 die maximale Füllung erreicht. Diese wird so lange zugelassen, bis man sich der Höchstdrehzahl des Motors nähert. An diesem Punkt regelt der R 32 f ab.

Betätigung durch 16-Stellungs-Gerät

Bei der V 100 kann man nicht stufenlos an der Füllung drehen, stattdessen hat man den bekannten Fahrschalter mit 15 Stufen. Stufe 0, 1 und 2 sind alle noch Leerlauf. In 1 hat man eine Getriebeteilfüllung, ab Stufe 2 ist das Getriebe vollständig gefüllt. Fahrstufe 3 ist die erste, in der die Füllung des Motors erhöht wird. Mit 5 Magnetventilen und einem 16-Stellungs-Regelgerät werden bei der V 100 die Fahrschalterstufen in Druck auf den Nebensteuerschieber des R 32 f umgesetzt. Dass es auf allen damaligen DB-Dieselloks die gleichen 5 Magnetventile gab, war der Grund warum bei der DB auch Loks unterschiedlicher Baureihen gemeinsam in Doppeltraktion verkehren durften.

In Fahrstufe 3 wird das Magnetventil V1 geschaltet, und damit das 16-Stellungs-Regelgerät um gleich mal 8 mm verstellt. Die anderen Magnetventile bewirken unterschiedliche Kolbenwege. V2 hat 4 mm, V3 schaltet 2 mm, V4 nur 1 mm, und V5 bewirkt 7 mm Kolbenbewegung. Durch Schaltung von Kombinationen dieser 5 Ventile lässt sich die Füllung in 1-mm-Schritten in 13 Stufen regeln. An V5 setzt darüber hinaus der simple Schleuderschutz der DB-Dieselloks an. Wenn dieser Schutz der Meinung ist, dass die Lok schleudert, wird V5 entlüftet und die Füllung somit um 7 Fahrstufen zurückgenommen.

Reglermagnet und Startbegrenzung

Es gibt noch verschiedene Sicherheitseinrichtungen am R 32 f. Die eine ist ein „Reglermagnet“. Dieser Elektromagnet hat die Aufgabe, einen Hebel aus dem Weg zu räumen, mit dem der Hauptsteuerschieber in Stellung Nullförderung mechanisch blockiert wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Diesel abstellt, wenn der Reglermagnet abfällt. Er tut dies, wenn der Triebfahrzeugführer den Motor abstellen will.  Sollte sich der Motor nicht auf diesem elektrischen Weg abstellen lassen, so gibt es am Regler selbst noch einen Notabstellzug. Auf der V 60 wurde ab Werk über den Reglermagnet zusätzlich die Notabschaltung des Motors bei zu hoher Kühlwassertemperatur realisiert. Da dies zu Motorschäden durch Wäremstau führen konnte, wurde das später geändert (Kühlwasserwächter wirkt jetzt auf das Steuerluftventil, so dass der Motor in Leerlauf geht). Bei der V 100 wird bei Kühlwasser- oder Getriebeöl-Übertemperatur die Stromzufuhr zum Fünffach-Magnetventil gekappt, so dass ebenfalls Leerlauf eingeregelt wird. Im Auslieferungszustand war der Getriebeöl-Temperaturwächter allerdings auf das Überwachungsrelais Fahrdieselmotor geschaltet und bewikte somit ein Abfallen des Reglermagneten.

Die zweite wesentliche Sicherheitseinrichtung ist die Startbegrenzung. Sie begrenzt den Regelweg des Hauptsteuerschiebers auf etwa 60 %. Der Kolben der Startbegrenzung wird durch Motorschmieröl betätigt. Sie ist in drei Fällen aktiv:

  1. Die Schmierölvorpumpe läuft. Wir haben es also mit einem Anlassvorgang zu tun. Mit der Startbegrenzung wird verhindert, dass der Motor zuviel Füllung erhält.
  2. Die Öltemperatur liegt unter 60 °C.
  3. Der Differenzdruckschieber am Siebscheibenfilter hat angesprochen (Druckunterschied von mehr als 5 bar vor und hinter dem Filter). Das passiert immer dann, wenn dieser Ölfilter mit Dreck zugesetzt ist.

Eingriffsmöglichkeiten

Sollte es zu einer Störung im Steuerluftsystem oder am 16-Stellungs-Regelgerät der V 100 kommen, so kann man dies am Regler überbrücken. Hier kommen wir nun das erste Mal zu Bauartunterschieden verschiedener R 32 f. Und zwar gibt es welche mit Notbetätigungshebel und welche ohne. Mit Notbetätigungshebel kann man den Regler bei abgeschaltetem Motor auf etwa 2/3 Füllung festlegen. Ohne den Hebel muss man am 16-Stellungs-Regelgerät drehen. Bei einer V 60, die kein 16-Stellungs-Gerät hat, ist man natürlich an dieser Stelle schnell am Ende.

Varianten

Außer dem R 32 f sind mir in der Literatur die Varianten R 32 fu (dies scheint ein Druckfehler zu sein?), R 32 fn (wenn ich raten müsste, steht das n für Notbetätigung) und R 32 gf über den Weg gelaufen. Was deren jeweilige Besonderheiten sind – gute Frage.

Variante R 32 p

Auch ein R 32 – und doch sehr anders. Der R 32 p ist der Motorregler, der auf der BR 218 mit TB11-Motor und in der V 90 eingebaut war (vor der Remotorisierung). Da diese Loks keine Kupplungen, sondern nur zwei Wandler im Getriebe haben, kann man Drehzahlregelung statt Füllungsregelung machen. Hierzu wird der Drehzahlregelungsteil des R 32 f gewissermaßen um eine Feder mit verstellbarer Vorspannung ergänzt. Auf diese Feder wirkt die pneumatische Fahrsteuerung der V 90 oder das 16-Stellungs-Gerät der 218. Zusätzlich hat der R 32 p eine drehzahlabhängige Füllungsbegrenzung. Diese soll verhindern, dass die eingespritzte Kraftstoffmenge in grober Weise nicht zur momentanen Motordrehzahl passt. Falls zum Beispiel die Drehzahl trotz voller Füllung einbricht, wird die Füllung vom Begrenzer um bis zu 1/3 zurückgenommen.