EDIT Juni 2015: Der folgende Artikel bezieht sich auf die Zeit vor Einführung der Triebfahrzeugführerscheinverordnung, also „Altfälle“ heutiger Bestandslokführer. Durch die TfV werden bei Neueinstellungen jetzt Beurteilungsgespräche Standard, wo man dann tatsächlich einem Psychologen gegenübersitzt. Das war allerdings nicht schon immer so:

Anlässlich des Germanwings-Piloten, der seinen Airbus samt Insassen gegen einen Berg geflogen hat, kommen interessante Informationen über psychologische Eignungsuntersuchungen bei Piloten ans Licht. Wie sich rausstellt, läuft es in der Luftfahrt gar nicht so viel anders als bei der Eisenbahn. Insbesondere geht es weder bei der Bahn noch bei den Fliegern darum, im Rahmen solcher Tests psychiatrischen Auffälligkeiten auf die Spur zu kommen. Um es noch deutlicher zu sagen: Der Begriff „psychologische Eignungsuntersuchung“ hört sich nach mehr an, als tatsächlich dahintersteckt. Meine Erfahrung bei dem ganzen Thema stützt sich darauf, dass ich vor Jahren selber als Proband so einen Test absolvierte (für „Tf, Lrf und EiB L/T“), später dann als Mitglied der Geschäftsführung eines EVU solche Tests bei der Firma dbgs (der ehemalige DB Gesundheitsservice – die heißen heute IAS) bestellte und danach mitzuentscheiden hatte, was wir aus den Ergebnissen für Schlüsse ziehen. Denn der Ergebnis-Bericht von der psychologischen Eignungsuntersuchung sagt erstmal nur aus, dass jemand gut genug war, die Tests zu bestehen. Man spricht dann zwar salopp davon, dass die „geistige Eignung“ gegeben ist, aber ob jemand wirklich geistig geeignet ist, um ihm eine Lok, Fracht und Passagiere anzuvertrauen – genau über diese interessante Frage trifft der Test keine Aussage. Wenn es der Test also nicht entscheidet, wer entscheidet denn dann darüber? Man kann sich meine Überraschung vorstellen, als ich erfuhr, dass ich das sein sollte – Kraft meines Amtes als Mitglied der Geschäftsführung, nicht aufgrund irgendeiner sonstigen Qualifikation. Die Geschäftsführung einer Firma hat das Letztentscheidungsrecht, wen sie fahren lässt und wen nicht. Sollten die Dinge in den Teich gehen und jemand wegen psychischer Erkrankungen die Eisenbahn in den Dreck setzen, dann trifft man sich im Extremfall vor Gericht wieder, und es wird dann geprüft, ob man als Geschäftsführer richtig entschieden hat.

Wie läuft so ein Test eigentlich ab? Man geht zu einer IAS-Niederlassung, die einen Teststand hat. Das ist dann in der Regel eine Gruppenveranstaltung. Jeder hat einen Computer, Stift und Papier. Je nachdem, welche Tätigkeit die Probanden bei der Eisenbahn ausüben sollen, bekommen sie auf ihrem Computer eine bestimmte Testreihe vorgesetzt. Was genau geprüft wird, dazu gibt es bei der Deutschen Bahn AG eine interne Konzernrichtlinie KoRil 108, die quasi den Stand der Technik darstellt. Auch private EVU bestellen ihre Eignungstests daher in der Regel „gemäß KoRil 108“.
Außer mir als angehendem Tf saßen im selben Raum auch angehende Fdl herum. Außerdem Sipos, BÜ-Posten und Schrankenwärter. Die drei letztgenannten haben die Besonderheit, dass sie ihre Tests alle 5 Jahre neu machen müssen, während bei Tf und Fdl die psychologische Eignungsuntersuchung wenn man Glück hat „ein Leben lang hält“.

Los ging es für alle mit einem Multitasking-Test. Auf einem Blatt Papier waren Aufgaben zu lösen, während vom Tonband jemand Dinge brabbelte, von denen man bestimmte Signalwörter nebenbei mitschreiben musste. Danach ging es am Computer weiter. Der hatte eine Sondertastatur mit nur ganz wenigen Knöpfen. Verwendet wurde damals von dbgs das PRIMUS-Testsystem. Anderswo weit verbreitet sind Tests auf Basis des Wiener Testsystems. Ist letztlich aber dasselbe in grün. Ich erinnere mich heute längst nicht mehr an alle Tests, aber es waren Sachen dabei zu Reaktionszeiten, sprachlichem und technischem Verständnis („wenn man Zahnrad A im Uhrzeiger dreht, wie herum dreht dann Zahnrad G?“), Gedächtnis, Kopfrechnen, und Langzeitkonzentration. Letzterer Test sorgte dafür, dass die angehenden Fdl mit ihren Tests viel früher fertig waren als die Tf, weil auf die Reaktionszeiten nach einschläfernd monotonen Tätigkeiten bei Fdl wohl weniger Wert als bei Tf gelegt wird…

Wichtig zu wissen ist noch, dass man bei dem sogenannten psychologischen Eignungstest in der Regel keinen Psychologen zu sehen bekommt. Es muss nur ein Psychologe als Verantwortlicher seinen Namen für die Aktion hergeben, aber dessen physische Anwesenheit scheint nicht erforderlich zu sein. Nachdem ich mit meinem Test fertig war, kam es zu einem kurzen Plausch mit der Testleiterin, die mir kurz mündlich mitteilte, wie ich abgeschnitten hatte (Notenskala ist: sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend und nicht geeignet). Zusätzlich gabs noch ein bisschen Smalltalk, wer man ist und was man bei der Eisenbahn zu werden gedenkt. Für Diagnosen psychiatrischer Erkrankungen war die Testleiterin ersichtlich nicht zuständig, und dafür reichte auch gar nicht die Zeit. Das offizielle Testergebnis folgt einige Tage später per Post.