Allgemein echoray on 25 Jun. 2014 03:46 pm
Na, noch Lust aufs Bahnfahren?
Der Südwestrundfunk geht wohl heute Abend mit einem Fall auf Sendung, wo Anwohner einen von DB Netz unter den Teppich gekehrten Schienenbruch ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt haben. Der SWR hat dann recherchiert und wohl eine Grube mit blubberndem Klärschlamm bei DB Netz angestochen.
Schienenbrüche passieren. Sie sind normalerweise auch nicht super gefährlich. Sie werden provisorisch durch Laschen gesichert und sind dann mit eingeschränkter Geschwindigkeit erstmal befahrbar. Es ist aber geboten, sowas zeitnah instandzusetzen. Die Sache passt allerdings ins Bild. Deutschlands größter Schienen-Infrastrukturbetreiber fiel in den letzten Jahren immer wieder durch Fälle verschleppter Instandhaltung auf. Nicht auszuschließen, dass die Schadstellen von den Mitarbeitern an der Basis nur verwaltet statt instandgesetzt werden, weil von oben nicht genug Geldmittel bereitgestellt werden. Das Schienennetz soll schließlich ein Renditebringer sein. Der Sparzwang treibt absurde Blüten. Mitarbeiter der Signalinstandhaltung berichten beispielsweise davon, wie in ihrer Firma heutzutage mit Verbrauchsmaterial wie Signal-Glühlampen umgegangen wird: Früher bestellte der Mitarbeiter vor Ort neue Lampen, wenn der Vorrat zu Ende ging. Dann kam die Büro-Etage auf die Idee, dass zwecks Mengenrabatten Signal-Glühlampen nur noch an einem Termin im Jahr bestellt werden dürfen. Als Resultat davon legen sich die Organisationseinheiten vor Ort natürlich groteske Mengen Lampen auf Lager, um bloß nicht in die Verlegenheit zu kommen, dass ein Signal mal dunkel bleibt, weil keine Ersatz-Glühbirne im Lager ist. Ob man so wirklich Geld spart?
Wer berufsmäßig das deutsche Schienennetz befährt, weiß dass es im ganzen Land Schadstellen gibt, die teilweise echt langlebig sind, anstatt dass sie mal repariert werden. Im folgenden habe ich mal nur die Eisenbahn-Unfälle der letzten Jahre in Deutschland herausgesucht, die auf mangelnde Instandhaltung und Schlamperei zurückzuführen waren, und die ihre Ursache im Gleisbereich hatten:
- Düsseldorf-Derendorf, 2.7.2013: Unter dem Güterzug DGS 95740 klappen die Schienen weg, weil die mehrfach umgesetzten Schrauben in den verfaulten Holzschwellen endgültig keinen Halt mehr finden.
- Hannover-Linden, 8.4.2011: Der Güterzug FZT 53820 entgleist wegen eines schweren Gleislagefehlers („Schlammstelle“), dessen Instandsetzung verschleppt worden war.
- Strecke Schkeuditz – Gröbers, 11.2.2011: Der Güterzug FIR 51380 entgleist aufgrund schlechter Gleislage.
- Stuttgart-Untertürkheim, 15.3.2010: Der Güterzug CFN 63051 entgleist durch einen Gleislagefehler, verursacht durch unsachgemäß durchgeführte Stopfarbeiten.
- Strecke Nürnberg-Stein – Nürnberg Rangierbahnhof, 7.8.2009: Der Güterzug FIR 51629 entgleist, da die Schienen wegen verfaulter und unpassender Zwischenlagen auf den Schwellen keinen ausreichenden Halt mehr haben.
Zusätzlich ist noch ein etwas dubioser Unfall zwischen Brannenburg und Raubling aus dem Jahr 2007 aktenkundig, wo unter einem Güterzug eine Schiene zerbrochen war, was zur Entgleisung führte. Die EUB zeigte aber keinen Enthusiasmus, in diesem Fall besonders gründlich zu ermitteln.
Wer noch immer Lust aufs Bahnfahren hat, für den habe ich noch Unfälle, die in Mängeln der Stellwerks-Infrastruktur begründet sind. Mehr schlecht als Recht versucht man seit einigen Jahren zu verhindern, dass auf Sand stehende Züge plötzlich für die Stellwerks-Technik „unsichtbar“ werden. Das Problem ist einstweilen auf die Mitarbeiter abgewälzt worden. Eine endgültige Lösung ist aber wohl nur möglich, wenn man deutschlandweit die Gleisstromkreis-basierten Gleisfreimeldeanlagen durch Achszähler ersetzt, die sich prinzipbedingt nicht durch einen auf Sand stehenden Zug foppen lassen. Oder zum Beispiel der Unfall in Bremen Hbf am 5.9.2013: Der Metronom 81952 entgleist im Bahnhofsvorfeld, weil das ranzige Stellwerk es nicht hergibt, die Fahrstraßen für die Metronom-Züge ohne Umgehung von Sicherheitseinrichtungen wieder aufzulösen. Der Mitarbeiter im Stellwerk ist der arme Tropf. Er hat diese Hilfsauflösung zu früh vorgenommen und ist daher der Gearschte. DB Netz muss aber einräumen, dass vergleichbar kaputte Stellwerks-Projektierungen in ganz Deutschland existieren. Anstatt vernünftige Technik zu installieren, wurde hier gespart. Der Mitarbeiter der DB Netz darf es ausbaden. Mitarbeiter anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen sitzen in der ersten Reihe, wenn es knallt. Fahrgäste sind eines Tages möglicherweise auch betroffen. Man möchte eigentlich nicht zu viel drüber nachdenken…