Eine der Nachwirkungen der Trennung zwischen Staats- und Privatbahnen in Deutschland ist, dass es noch immer zwei verschiedene Fahrdienstvorschriften gibt, für die man gesondert ausgebildet und geprüft sein muss. Für den Bereich der DB Netz ist das die Richtlinie 408, und die nichtbundeseigenen Eisenbahnen haben ihre Fahrdienstvorschrift-NE. Schon seit vielen Jahren läuft nun eine Diskussion, wie man die beiden Vorschriften zusammenschmeißen könnte, um sich doppelte Ausbildung zu sparen, das Personal zu entlasten und so die Eisenbahnwelt besser zu machen. Heraus kam ein Entwurf mit dem Titel „Anweisung für den Fahrbetrieb“, kurz AnFab. Dieser wurde in sachverständigen Kreisen erarbeitet, im Jahr 2004 in der Zeitschrift „Deine Bahn“ kommentiert und geistert seitdem wie ein Untoter durch die Fachliteratur.

Dass jemand tatsächlich den Schritt tun würde und sagt „wir führen jetzt mal die AnFab ein“, davon ist schon lange keine Rede mehr. Das Problem der AnFab ist, dass darin eigentlich kaum etwas zwischen FV-NE und 408 vereinheitlicht wurde, sondern nur ein kleinster gemeinsamer Nenner festgehalten wurde. Die AnFab macht noch stärker als die FV-NE davon Gebrauch, die genaue Ausgestaltung der Regeln dem jeweiligen Eisenbahnbetriebsleiter zu überlassen. Wann immer es spannend wird, zieht sie sich auf die Floskel „näheres regelt der EBL“ zurück. Sie ist eine absolute Minimal-Fahrdienstvorschrift. Genausogut könnte man versuchen, nur anhand der EBO Bahnbetrieb durchzuführen. Selbst das Kapitel Rangierdienst, das zwischen FV-NE und 408 bereits nahezu wortgleich ist und mit wenig Aufwand und ohne große Schmerzen völlig vereinheitlicht werden könnte, dampft die AnFab stattdessen auf rekordverdächtige acht Absätze ein.

Die AnFab ist also eher als akademisches Experiment anzusehen, weniger als ein praxistaugliches Regelwerk. Wenn man die AnFab tatsächlich allgemeinverbindlich einführen würde, wäre die Situation meiner Meinung nach schlimmer als heute. DB Netz würde wohl ein umfangreiches Druckwerk „Zusätzliche  Regelungen zur AnFab im Netz der Deutschen Bahn“ oder so ähnlich rausbringen und hätte damit im Ergebnis quasi wieder eine 408, nur unter neuem Namen. Im Bereich der NE-Bahnen wären die Folgen dagegen im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagend. Hunderte EBL müssten landauf, landab neue Regelwerke aufsetzen für Sachen, die bislang in der FV-NE zur Zufriedenheit aller Beteiligten geregelt waren. Das Ergebnis könnte völliger Wildwuchs bei den NE-Vorschriften sein.