Inzwischen ist es gut drei Monate her, dass die TfV in Kraft trat. Da es mich interessiert, wie die neue Verordnung aufgenommen wird, habe ich meine Kontakte zu Praktikern in verschiedenen EVU genutzt, um zu erfahren, wie es den Leuten, die mit der neuen Verordnung umgehen müssen, bislang ergangen ist.
So langsam dämmert es auch den unter einem Stein lebenden Eisenbahnen in Deutschland, dass da etwas neues auf sie zukommt. Andere haben bereits einen ungefähren Plan, was sie tun wollen oder müssen. Letztens hat auch die zukünftige Führerscheinstelle beim EBA die Arbeit aufgenommen, so dass die zum 29.10.11 anstehenden Auslandslokführer nunmehr verarztet werden können. Zusammen mit der Pressemitteilung gab es auch eine Verfahrensbeschreibung für die verschiedenen denkbaren EBA-Anträge. Die Behörde hofft, sich so von häufig gestellten Fragen zu entlasten. Ich würde sagen, das ist ihr so halb gelungen. Hilfestellung für bestimmte konkrete Anwendungsfälle wäre nützlich gewesen. Beispiel: Nehmen wir mal einen „Altfall“, ein gestandener Lokführer älteren Baujahrs, der bereits einen Schein nach VDV 753 hat, und jetzt auf TfV umgestellt werden soll. Ist dann bei „Erstausstellung“ oder bei „Erneuerter Führerschein“ das Kreuzchen zu machen? Muss für unseren Altlokführer ein Nachweis der geistigen Eignung nach modernen diagnostischen Prinzipien gebracht werden?

Gerade letzteres treibt im Moment die Verantwortlichen in manchen EVU um. Mit der TfV haben wir die Situation, dass erstmals die Feststellung der Eignung durch einen Psychologen in Stein gemeißelt wurde. Das war zwar schon bislang „Stand der Technik“, wurde aber u.a. in der EBO nicht konkret gefordert. Selbst in der VDV 714 ist die Feststellung der geistigen Eignung durch moderne Eignungsdiagnostik eine Kann-Bestimmung. Im Extremfall hat sich jemand hingestellt und gesagt „dieser Lokführer hat ein Diplomingenieurstudium abgeschlossen, also wird er auch zum Tf geistig geeignet sein“. Das Land ist voll mit solchen und ähnlichen meist langgedienten Lokführern, bei denen die Eignung mit heute widerlegten psychologischen Methoden festgestellt wurde, oder die Unterlagen sind nach dem zehnten Wechsel der Dienststelle irgendwann verloren gegangen. Müssen diese Leute jetzt nach 30 Jahren im Beruf zum ersten Mal in ihrem Leben zur „Klötzchenprüfung“? Und was passiert, wenn sie dort durchfallen? Das Thema ist besonders bei der DB hochsensibel, denn um die Jahrtausendwende wurde mit genau der gleichen Methode der Personalkahlschlag tatkräftig unterstützt. Wohlwissend, dass die Durchfallquoten mitunter über 50 % liegen, wurden Leute zum Bahnpsychologen geschickt, um sie aussortieren zu können. Wenn das jetzt wieder kommt, werden unangenehme Erinnerungen hochkommen. Umgekehrt stelle man sich vor, was los wäre, wenn plötzlich die Hälfte einer Dienststelle Berufsverbot hätte.

Wie sich herausstellte, hat sich der Gesetzgeber mit seinem Schachzug, in der TfV das Mindestalter der Triebfahrzeugführer von 21 auf 20 Jahre herabzusetzen (wie es das Europarecht will), ohne gleichzeitig die EBO zu ändern, ein ziemliches Tor geschossen. Solche handwerklichen Pfuschereien beim Gesetzeschreiben haben im deutschen Eisenbahnrecht ja leider gute Tradition. Wie aufwändig konnte es denn sein, zusammen mit der TfV auch noch eine Änderung der EBO zu verabschieden? Erschreckenderweise ist dem EBA wohl erst bewusst geworden, dass es da ein Problem gibt, als die ersten Unternehmen konkret forderten, dass die Behörde doch mal bitte ein paar Junglokführer nach dem neuen Recht genehmigen sollte. Deshalb kam auch erstmal keine klare Linie zustande. Mindestens ein Unternehmen erhielt die Auskunft „so lange wie sich EBO und TfV beim Alter widersprechen, gilt in diesem Land noch immer vorrangig die EBO“, und damit waren die betroffenen Jung-Tf erstmal abgebügelt. Wie es scheint, ist der Weg zum unbeschränkten Führerschein via TfV-Führerschein-Antrag vorläufig noch zum Scheitern verurteilt. Interessanterweise gibt es aber wohl einen anderen vom EBA abgesegneten Weg, aus der U21-Regelung rauszukommen. Die Behörde scheint bereit zu sein, die Ausstellung von Klasse-3-Führerscheinen zu dulden, bei denen die Kriterien der TfV angelegt wurden. Dann muss der EBL ein wenig schreiben und sagt dabei „wenn die TfV schon voll gültig wäre, hätte unser U21 schon einen unbeschränkten Führerschein. Also wenden wir die TfV einfach sinngemäß auf unseren VDV 753er Führerschein an und erteilen diesen unbeschränkt“. Das ganze geht dann auch sehr kostengünstig, weil die früher geforderte teure Begutachtung des Kandidaten durch die Behörde, den Bahnarzt und den Psychologen in diesem Fall – ebenfalls durch analoge Anwendung der TfV – entfällt.

In einigen Eisenbahner-Büros reichte die Zeit bislang anscheinend nur zum Querlesen der neuen Verordnung. So berichtete ein anderer „Ü20-U21“-Lokführer im Bahnerforum, dass er vom Vorgesetzten die Auskunft erhalten hatte, zur Umstellung auf TfV-Führerschein müsse er – abgeschlossener EIB LT – erstmal eine Prüfung nach Anlage 5 TfV vorweisen, die er ja sicherlich nicht habe. Das war dann nur so halb richtig. In § 5 Absatz 1 TfV steht ziemlich am Ende: „Sofern der Bewerber eine Prüfung nach § 10 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst/zur Eisenbahnerin im Betriebsdienst erfolgreich absolviert hat, wird diese im Falle des Satzes 1 Nummer 5 als gleichwertig anerkannt“. Satz 1 Nummer 5 ist die hier in Frage stehende Prüfung nach Anlage 5 TfV.

Wie es schon § 8 TfV vorsichtig andeutete, sind die jetzt vom EBA veröffentlichten Antragsformulare tatsächlich auch für den Fall ausgelegt, dass ein Tf-Anwärter sich seinen Führerschein beim EBA komplett auf eigene Faust beantragt, ohne ein EVU im Rücken zu haben. Das ist sogar derjenige Fall, bei dem am wenigsten Papierkram anfällt, denn wenn das EVU antragstellend tätig wird, muss der Anwärter seiner Firma erstmal eine Vollmacht schreiben. Auch dafür hat das EBA ein Formular. Mit der Gründlichkeit einer deutschen Verwaltungsbehörde wird hier umgesetzt, was von der Verordnung gewollt ist: Der Führerschein an sich ist Eigentum und Angelegenheit des Tf, nicht seiner Firma. Die hat nur die Zusatzbescheinigung auszustellen. Im ersten Entwurf der TfV war sogar vorgesehen, dass das Unternehmen bei der Führerscheinbeantragung überhaupt nichts zu dürfen hat. Da äußerten dann u.a. die Verbände in ihrer Anhörung die Ansicht, dass dies nicht gut sei. Man war der Ansicht, dass einige Tf salopp gesagt zu doof für eine Antragstellung im eigenen Namen waren. Wahrscheinlich hätten die Verbände in Einzelfällen Recht gehabt… Ich denke, es ist gut so, wie es jetzt gelöst wurde.