Die Verordnung über den Bau und Betrieb von Anschlussbahnen, kurz BOA, ist eine übergeordnete Rechtsgrundlage für den Eisenbahnbetrieb auf – wer hätte es gedacht – Anschlussbahnen. Anschlussbahn hört sich erstmal nach gewaltig großen Bahnanlagen an, aber auch ein kleiner Gleisanschluss mit einer Anschlussweiche und ein paar Metern Gleis fällt unter diesen Begriff.

Anschlussbahnen werden über das Kriterium der „Nichtöffentlichkeit“ der Infrastruktur definiert. Während auf öffentlichen Eisenbahnen die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) gilt, gilt auf Anschlussbahnen stattdessen die besagte BOA. Wobei BOA allerdings nicht gleich BOA ist. Anschlussbahnen sind in Deutschland Ländersache. Deshalb gibt es zwar nur eine EBO, aber 16 verschiedene BOA. In Bayern und im Saarland spricht man nicht von BOA, sondern von EBOA, in Hessen vom Hessischen Eisenbahngesetz und in Berlin vom „Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen“. Das bedeutet für den Praktiker: Bevor man auf Anschlussbahnen in anderen Bundesländern tätig wird, lohnt ein Blick in die jeweilige Landes-BOA. In den BOAs aus „Neufünfland“ ist es zum Beispiel generell üblich, dass der Aufenthalt im Berner Raum verboten ist, solange die Fahrzeuge noch nicht stillstehen. In Westdeutschland ist man da weniger ängstlich.

Um die Hierarchie der Vorschriften zu verdeutlichen habe ich mal folgendes Bildchen gebastelt:

Wie man vielleicht erkennt, kann über die Landes-BOA auch noch ein Landeseisenbahngesetz geschaltet sein. Einige Bundesländer haben aber kein LEG. Nordrhein-Westfalen hat seit 2007 keins mehr. Da ich in NRW Bahnbetrieb durchführe, geht es im Folgenden ausschließlich um die BOA NRW.

Was steht nun drin in der Verordnung? Ein großer Teil beschäftigt sich mit der Beschaffenheit der Infrastruktur und Anforderungen an die Fahrzeuge. Beides ist eher ein Fall für die Werkstatt und Prüfingenieure. Gehen wir mal davon aus, dass die Infrastruktur den Vorschriften entspricht. Die Fahrzeuge gehen mich schon eher an, weil sie meine Arbeitsgeräte sind. Die fahrzeugbezogenen  Vorschriften der BOA zielen übrigens besonders auf Fahrzeuge, die die Anschlussbahn im Zweifel nie verlassen werden, also die Werkslok zum Beispiel. Alles, was aber am Schild „Grenze der Anschlussbahn“ vorbeifährt, muss auch die Vorschriften der EBO erfüllen. An diesem Schild wechselt die Rechtsgrundlage für den Eisenbahnbetrieb von BOA zu EBO.

Aus Sicht des Wagenprüfers ist die BOA nicht großartig aufregend. Für ihn ist interessant, dass die BOA NRW in § 17 (2) einen Katalog dessen enthält, was die vollständigen Anschriften eines Fahrzeugs ausmacht. Dies sind: Eigentümer, Nummer, letzte Untersuchung, Bremsbauart, bei Tfz zusätzlich Hersteller/Fabriknummer/Baujahr/vMax/Bremsgewicht, bei Wagen Eigengewicht und Tragfähigkeit. Ja genau, das Bremsgewicht müsste rein vom Standpunkt der BOA her nicht an den Wagen dranstehen, weil es auf der Anschlussbahn eh nur Rangierfahrten gibt. Die BOA NRW deckelt die Höchstgeschwindigkeit auf der Anschlussbahn übrigens auch auf 25 km/h. Also wird es nichts mit „Rangieren mit Ansage des freien Fahrwegs“ bzw. der EBL-Option aus § 53 (2) FV-NE. Wenn unser Wagenprüfer feststellen möchte, ob die Untersuchungsfrist eines Fahrzeugs noch nicht abgelaufen ist, muss er wissen, dass das Fristenschema der BOA NRW „3 Jahre plus max. dreimal 1 Jahr Verlängerung“ ist. Das ist wesentlich kürzer als unter EBO.

Ein wichtiger Ausfluss der BOA ist die „Anweisung für den Eisenbahnbetriebsdienst“ der jeweiligen Anschlussbahn – auch salopp „Bedienungsanweisung“ genannt. Die Funktion ist analog von ÖRil und SbV. Die Aufstellung einer Bedienungsanweisung kann entfallen, wenn nur fremde EVU den Anschluss nutzen. Dann muss deren Personal aber eine „besondere Unterweisung“ vom Anschlussinhaber bekommen.

Für Rangierbegleiter sind zwei Dinge an der BOA NRW interessant: Sie erlaubt das Festlegen von Fahrzeugen mit der Druckluftbremse nämlich nur für 15 Minuten, statt 60 Minuten wie in den Fahrdienstvorschriften. Die NRW-Landesregierung scheint wenig Vertrauen in die Dichtigkeit der Druckluftbremsen zu haben… Das zweite ist die Forderung, nachts die Spitze von Fahreinheiten mit mindestens einem weißen Licht zu kennzeichnen.

Da unser Verein auch mit Dampfkraft fährt, behalte ich mal die Vorschrift „Zwischen einer Dampflokomotive mit Feuerung und Wagen mit sprenggefährlichen Ladungen müssen mindestens zwei Schutzwagen laufen“ im Hinterkopf. Man weiß ja nie, wann man das nächste Mal das Bedürfnis hat, Sprengstoff mit dem Dampfzug zu transportieren… Auch ganz süß ist § 38 BOA NRW, „Personenbeförderung auf der Anschlussbahn“. Eigentlich müsste man diesen Paragraphen jedem Fahrgast vor Antritt der Fahrt laut vorlesen. Wahrscheinlich würden die Leute dann schreiend den Zug verlassen. In Nr. 38 stehen Perlen drin wie „Die Fahrgäste dürfen nur an den dazu bestimmten Stellen und auf der vorgeschriebenen Seite der Fahrzeuge ein- und aussteigen. Sie haben sich in genügender Entfernung von den Gleisen aufzuhalten. Nach dem Abfahrtszeichen darf niemand mehr ein- oder aussteigen“, „Mit Personen besetzte Wagen dürfen nur so verschlossen sein, daß sie von den Insassen geöffnet werden können“ oder „Die Mitnahme von Gegenständen, die aus dem Wagen hinausragen, ist untersagt“.